Feldweg links der Donnerstraße

Darf man das? Ein Song-Monument wie „Thunder Road“ so entkernen? Auch wenn’s nur auf einer limitierten Bonus-Cover-EP zum neuen Album „One Soul Now“ ist? Klar darf man, sagt Michael Timmins, „aber einige Springsteen-Fans werden uns wohl umbringen wollen.“ Der Cowboy Junkies-Chef lacht sehr ausgelassen und zitiert dann lautmalend die Original-Stelle mit der Gitarre, die Bruce doch „gerade gelernt hatte, zum Sprechen zu bringen“. Und die Timmins „ohnehin nie gemocht hat“. Er feixt wieder: „Der Song geht an der Stelle ja in eine ganz andere Richtung. Unsere Version bewegt sich in diesen Raum hinein und bleibt einfach da. Ich denke nicht, dass es dem Song schadet“

Doch was bleibt von „Thunder Road“ ohne diese Bridge? Was bleibt von der Verheißung des romantischen Ausbruchs? „Wir haben das geändert“, antwortet Timmins so cool, als würde er jeden Tag schon zum Frühstück Song-Monumente verspeisen. Ohne die Bridge sei das Stück „weniger eine Rock’n’Roll-Romanze, vielmehr die Flucht eines Jedermanns“. Der ja nur sehr bedingt der Illusion folgen kann, der Rock’n’Roll könne ihn befreien, wie selbst Bruce inzwischen wissen dürfte? „Exactly.“

Michael Timmins referiert das alles so charmant, Bruce könnte ihm vermutlich nicht mal übelnehmen, wenn er den Todeskuss mit Wendy in „Born To Run“ entsorgen würde. Auch das Wirken von Lyle Lovett auf Townes Van Zandts Spuren analysiert Timmins aus gegebenem Anlass nüchtern. „Ich finde seine Version von ‚Lungs‘ okay, aber sie hat nicht die Leidenschaft, die dieser Song braucht. Margos take hier hat die Intensität, die ich bei Lyle vermisse.“

Wo ist eigentlich Margo? Es ist das erste von einigen Cowboy Junkies-Interviews, die ich in 15 Jahren geführt habe, bei dem die Schwester nicht an seiner Seite sitzt. Ein Kleinkind hat die Mami jetzt lieber öfter zu Hause. Der Nachwuchs hat Margo nicht daran gehindert, mit „He Will Call You Baby“ eine ihrer besten Vorstellungen überhaupt abzuliefern. Ja“, nickt Bruder Michael, „das ist auch einer meiner Favoriten auf dem Album. Ich höre sie am liebsten so, so langsam schwelend. Du kannst dir nie sicher sein, auf welcher Seite der Sache sie steht. Da ist diese absolute Dunkelheit, die alles überschatten könnte, es dann aber doch nicht tut Eine wunderbare Performance.“

Die konnte nur deshalb aufs Album kommen, weil die Cowboy Junkies erstmals nach neun Platten ganz ohne Produzent und Tontechniker schreiben, proben und gleich aufnehmen konnten, „off the floor“, im Übungsraum daheim in Toronto. „Bei dieser Version von ,’He Will Call You Baby‘ waren wir noch dabei, den Song zu lernen“, sagt Michael Timmins. „Und als wir das Monate später wieder hörten, dachten wir: Da ist alles, was wir in diesem Song hören wollen. Lassen wir’s dabei.“

Was in der Vergangenheit der Band leider nicht immer möglich war. „Es gibt auf jeder unserer Platten zwei oder drei Songs, die vorher im Übungsraum besser klangen als später im Studio. Du weißt das auch und denkst dir nur: Verdammt, wir werden diesen Song nie wieder so gut spielen! Ich wollte sicherstellen, dass solche Momente bei diesem Album nicht verloren gehen. Und bei ‚He Will Call You Baby‘ hat das definitiv geklappt“

Die definitive Version von „Thunder Road“ aber klingt immer noch anders. Auch wenn Bruce Springsteen niemals so schön wie Margo singen wird „there were ghosts in the eyes of all the boys you sent away“.

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