Freigeschwommen

„Sie waren Tokio Hotel vor Tokio Hotel“, sagte irgendwer irgendwo neulich über Echt, die sympathischen Rabauken, über deren Frisuren die „Bravo“ Ende der 90er Jahre berichtete. Auch wenn der Vergleich ein bisschen quietscht, wichtig waren Echt allemal-und wer sogar „Du trägst keine Liebe in dir“ und „Weinst du“ nicht mag, kann sie immer noch als Lehrstück für klassische Popband-Dramentheorie begreifen: Aufstieg und Fall in drei Alben.

Zumindest von Kim Frank, dem Sänger, hörte man auch nach dem Ende der Band 2003 immer wieder mal. Er fotografierte für Bernd Begemann und spielte im Kinofilm „NVA“. Und war dem Vernehmen nach ziemlich mitgenommen vom Ende der Band. „Das war natürlich Quatsch nicht die Auflösung war schlimm, sondern der Weg dorthin, das auszusprechen“, sagt Frank. „Danach fällt dir ein Stein vom Herzen. Aber es ist okay, wenn die Öffentlichkeit das gerne so sehen möchte. Das ist auch eine schöne Geschichte.“

Der wahre Grund für seine Krise: die Trennung von der Freundin. Davon handelt „Lara“, die erste Single von Franks Soloalbum „Hellblau“. „Allerdings kann man ,Lara‘ auch als Lied über die Vergangenheit mit der Band hören“, sagt Frank, „wenn man in der ersten Strophe die Stelle mit dem Bett weglässt. Die habe ich absichtlich hineingeschrieben, sonst wäre es kein Liebeslied mehr, sondern so eine grönemeyereske Abhandlung über Abschiede.“ „Lara“ ist Breitbandpop mit Tamtam und Brause-Melodie, ganz gemäß der Frank’schen Neigung zur großen Geste. „Ich verstehe nicht, wieso bei deutschem Pop immer alles so dörflich gehalten werden muss. Warum Künstler hier unbedingt nett und authentisch sein sollen, bloß nicht sperrig, Popstars von nebenan – da würde ich lieber über mich lesen: ,Kim Frank sitzt arrogant und überheblich in seinem Sessel, sagt großkotzige Dinge, aber seine Platte ist verdammt geil.“‚ Für arrogant und überheblich reicht es nicht ganz, wie er so in seinem Sessel sitzt, liegt und Salzletten kaut (der Magen!) – der Zeiger bleibt eher so bei ’selbstzufrieden‘ stehen. Dass auf „Hellblau“ nicht nur Kim Franks unverwechselbare Stimme mit dem leichten Hang zur Vokaldehnung an Echt erinnert, gehe schon in Ordnung, sagt er. Als er vor vier Jahren wieder anfing, Musik zu machen, habe er zuerst an extraschrägen Sachen herumgedoktert — „George-Michael-House-Pop-Nummern auf Deutsch, mit Kopfstimme, solche Sachen“. Bis er bemerkt habe, dass es kein Fehler sei, genau das zu tun, was einem leicht fällt: „Man muss sich nicht immer neu erfinden, etwas Besonderes machen. Man ist von alleine besonders.“ Und falls man trotzdem fleißig ist und sich anstrengt, soll man das bitteschön nicht merken: „Ich möchte nicht, dass man beim Hören merkt, wie der Dichter versucht hat, einen Aphorismus nach dem anderen in den Text zu pressen.“

Wie sehr nerven all die Fragen und Spekulationen zu seiner Vergangenheit mit Echt und der sogenannten psychischen Krise, von der Wikipedia weiß? „Ich will nicht, dass man mein Album als Selbsttherapie missversteht“, sagt Kim Frank. „Ich habe mein Leben einfach in das Format Popsong gegossen, aber meine Lieder könnte genauso gut jemand anders singen, mit einer ganz anderen Vergangenheit.“ Auf Franks MySpace-Seite hat sich eben ein Mädchen eingetragen – „Ich mag den Song Lara echt gern. Ich könnte ihn stundenlang hören. Auch die Bilder des Videodrehs sind toll. Du siehst verdammt gut aus“, schreibt sie. Alles wird sich ändern, wenn wir groß sind? Na, vielleicht nicht wirklich alles.

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