Ganzjährig Sommer

Das erste Soloalbum der Fiery-Furnaces-Sängerin Eleanor Friedberger ist ein adäquates Gegenmittel zur herbstlichen Songwritermelancholie.

Menschen wie Eleanor Friedberger gibt es in der Popmusik leider nicht viele. Sie weiß um ihre musikalischen Fähigkeiten, setzt sich bescheidene Ziele und kennt ihre achtbaren Erfolge mit The Fiery Furnaces, jener New Yorker Band, die sie im Jahr 2000 mit ihrem Bruder Matthew gründete und mit der sie einer treuen Fangemeinde sechs Alben und eine EP voll verspulter Popsongs schenkte.

Mit festem Blick schaut sie unter ihrem braunen Haarschopf hervor und erzählt, warum sie eine Soloplatte wie „Last Summer“ machen musste: „Ich habe versucht, die zehn Jahre Banderfahrung hinter mir zu lassen, um etwas aus einer neuen, frischen Perspektive heraus zu schaffen, sofern das überhaupt möglich ist.“ Im sentimentalen Sumpf herbstlicher Songwriter-Platten bietet das Album nicht nur dem Titel nach eine Rettungsleine, ist von einem optimistischen Grundton durchzogen. „Zumindest hoffe ich, dass es nicht pessimistisch klingt, sondern vital und naiv“, so Friedberger. Hinzufügen könnte man noch: gereift, aber nicht erwachsen, verspielt, aber nicht versponnen, ambitioniert, aber nicht so überfrachtet wie die Alben der Fiery Furnaces.

Den Schritt Richtung Soloplatte ging Friedberger nach dem letzten Furnaces-Album 2009, als sie merkte, dass sie sich kreativ noch weiter emanzipieren könnte. „Ich habe meine Unabhängigkeit und Individualität als Singer/Songwriter behauptet“, betont sie mit einem Anflug von Stolz. „Die Songs wollte ich diesmal so einfach wie möglich halten, um ihnen eine emotionale Unmittelbarkeit zu verleihen.“ Aber erst im Studio fanden die Stücke, die oft nur aus vielen ineinandergeschraubten Motiven zu bestehen scheinen, ihre Vollendung. Neben einigen elektronischen Raffinessen hat Friedberger ein Gespür für clevere Arrangements. Das Saxofonsolo im Song „Owl’s Head Park“ ist dafür nur das auffälligste Beispiel. „Diese Elemente entstammen meiner Liebe zu Van Morrison. Ich mag seine Art, Saxofon zu spielen. Sie ist sehr ausdrucksstark, manchmal auch lustig. Ursprünglich wollte ich ein identisches Van-Morrison-Solo in einem der Songs unterbringen, aber der Saxofonist weigerte sich, ein reines Plagiat zu erzeugen. Schade, denn für mich hätte Copy-and-paste gereicht.“

Von Technikskepsis keine Spur, meint man bei solchen Auskünften, doch weit gefehlt: „Ich habe Angst vor der Produktionssoftware ProTools, weil ich glaube, dass sie die eigene Faulheit verstärkt. Diesmal hatte ich mehr Kontrolle während der Aufnahmen, musste allerdings auch aufmerksamer sein, als ich es gewohnt bin. Nur auf dem Sofa hinterm Mischpult sitzen und sagen: ‚Ja, so ist es okay!‘ hätte da nicht gereicht.“

Bei der Umsetzung ihrer Songs halfen Friedberger vor allem Filme. Für die Wechselwirkung von Bild und Ton hat sie sich schon als Kind interessiert. „Ich mag es, Musik zu visualisieren. Als Teenager entwickelte ich eine Obsession für die Filme von Martin Scorsese. Seine Art, Musik einzusetzen, zum Beispiel ‚Be My Baby‘ am Anfang von ‚Mean Streets‘, hat mich total umgehauen.“ Hätten Scorsese, Woody Allen und ein paar andere ihrer Lieblingsregisseure in den 70er-Jahren nicht das amerikanische Kino revolutioniert, wäre ihr Leben womöglich ganz anders verlaufen. „Sie haben meinen Traum von einem Leben in New York stark geprägt“, erklärt Friedberger, die ursprünglich aus Chicago kommt. An welche Orte sie sich künftig träumt, werden wir hoffentlich auf einem weiteren Soloalbum hören, das zumindest in Planung ist. Max Gösche

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