Gelächter vorm Tod: Wild Beasts
Die britischen Wild Beasts geben sich extrem theatralisch und sind besonders gut, wenn sie die hohen Lagen nur fast treffen.
In der schwarzen Musik ist Falsettgesang schon lange so selbstverständlich wie ein Gitarrensolo im Rock: Curtis Mayfield, The Congos, Prince oder Sylvester schraubten ihre Stimmen in schwindelerregende Höhen. Es geht hier um die künstliche Überhöhung von Gefühlen, aber auch darum, einen Blick in die eigene Seele freizugeben. Schönheit und Verwundbarkeit bilden die Achsen einer Popästhetik, die mehr will als nur den platten Imperativ. Spätestens seit „I Am A Bird Now“ von Antony & The Johnsons gilt der Kopfgesang auch als hippes Statement zum Thema Gender-Bender. So mancher homophobe Rockfan verzieht da das Gesicht – und vergisst, in welcher Tonlage die maskulinen Metalbands der Achtziger ihr Liedgut schmetterten.
Auch Hayden Norman Thorpe, der Sänger der englischen Wild Beasts, singt im Falsett, oder sagen wir besser: Er versucht es. In der englischen Presse gilt das blutjunge, von der Pfefferminz-Plätzchen-Hochburg Kendal nach Leeds übersiedelte Quartett als Hoffnungsträger der Saison: „The best New Band Of The Day since White Rabbits or Fleet Foxes“, lobte die Tageszeitung „The Guardian“ im Mai mit wunderbarer Ironie.
Gleich die erste, letztes Jahr veröffentlichte Single trug einen jener Band-typisch gespreizten Titel – „Brave Bulging Buoyant Clairvoyants“. Wie in fast allen Popsongs geht es um die Feier der eigenen Jugend und die Tatsache, dass es nach dem Tod nicht mehr viel zu lachen gibt. Nur drücken sich die Wild Beasts etwas pathetischer aus als die Kaiser Chiefs: „Brave bulging buoyant clairvoyants / Adopting this young spirit of sin/ To make the most, before we turn to ghost.“
Auch bei der Wahl des Bandnamens legten die Wild Beasts eine gewisse Kunstbeflissenheit an den Tag: „Unser Name bezieht sich auf den Fauvismus“, erklärt Sänger Hayden, also auf französische Maler wie Henri Matisse und André Derain, die 1905 anlässlich des Pariser Herbstsalons von einem Kritiker als „les fauves“ – die wilden Tiere – bezeichnet wurden. „Nur weil sie recht mutige Farben verwendeten, allerdings auf eine sehr überlegte Art und Weise, hat man die Fauvisten damals als abscheulich, ungeheuerlich und geschmacklos bezeichnet“, erzählt Thorpe, der in den jungen Wilden verwandte Seelen erkennt: „Wenn man aus einer Kleinstadt kommt und eine Karriere als Musiker anvisiert, fühlt man sich ebenfalls sehr exzentrisch. Vor allem wenn man Songs spielt, die wirklich sehr eigenwillig klingen.“ Und ausgesprochen theatralisch.
Das von Tore Johansson in Malmö produzierte Debütalbum „Limbo, Panto“ ist über weite Strecken ein sehr raffiniertes, von englischen Music-Hall-Einflüssen aus den 30er Jahren durchsetztes Gitarrenpop-Album geworden. Songs wie „The Devils Crayon“ oder „The Old Dog“ leben zudem auf eine sehr komplexe Weise von einem surrealen Schwebezustand. „Unsere Musik ist wie eine Münze mit zwei Seiten“, soTom Fleming, Bassist und Gelegenheitssänger. „‚Limbo‘ benennt einen Zustand zwischen Leben und Tod, und ‚Panto‘ kommt von Pantomine, wo die Grenzen zwischen der Performance und dem Engagement des Publikums aufgehoben sind.“
Dieser Schwebezustand sei nicht programmatisch, doziert Flemming, aber ein Wegweiser: „‚Limbo Panto‘ ist kein Konzeptalbum – aber auch nicht so weit davon entfernt.“ Die Musiker streiten energisch ab ,von Orange Juice beeinflusst zu sein, wie es die Plattenfirma behauptet, und nennen (nach endlosem Herumdrucksen) Kate Bush, Music-Hall, Folk und Kirchenlieder als Inspiration. Die Wild Beasts sind in jedem Fall ein Musterbeispiel für britische Exzentrik. Oder, wie Thorpe sagt: „Unseren eigenen Stil zu entwickeln, das war wie ein willkürliches Krabbeln im Dunkeln. Wir genießen es, frech zu sein und damit davonzukommen.“ Soll hinterher keiner sagen, man hätte ihn nicht gewarnt.