Guano Apes: Die Stimme des Beamtenrock

Göttings Guano Apes haben sich zu Popstars hochgerackert. Ihr neues Album betont nun bewusst noch stärker das bodenständige Bandkorsett.

„Die sind nicht von hier.“ Sandra Nasic, Sängerin bei den Guano Apes, deutet auf eine Gruppe H&M-bekleidetete Mädchen, die fröhlich kichernd mit den eben ergatterten Autogrammen des Göttinger Stars in der Luft wedeln. „Die Einheimischen gehen dezenter mit mir um.“ Sandra sitzt in einem Cafe ihrer Heimatstadt und schlürft Milchkaffee. Obwohl vermutlich viele der Anwesenden die Lokalmatadorin erkennen, sind es bloß die Auswärtigen, die die Privatsphäre der Künstlerin penetrieren. Überhaupt ist Sandra hier unter ihresgleichen: Jeder zweite Besucher im vorrangig von Studenten frequentierten „Zak“ sieht aus wie ein potenzieller Popstar. „Ich hab’s schon lieber, wenn man mich nicht irgendwie besonders behandelt.“

Überall sonst im Leben der Guano Apes ist besondere Behandlung längst der Normalfall. Seit das Quartett vor drei Jahren mit der Single „Open Your Eyes“ überraschend in die bundesdeutschen Charts krachte, war wenig Zeit für Alltag und Bescheidenheit. Diese Wucht! Diese Wut! Aus Deutschland! Die Guano Apes gerieten zum nationalen Aushängeschild alternativer Musik, kassierten allerlei Preise der hiesigen Jugendvertreter und Erbsenzähler-Verbände und waren nun Stars. Es folgte Trendsportmusik („Lord Of The Boards“), ein famoser Soundtrack-Beitrag („Don’t You Turn Your Back On Me“ für Dani Levys „Meschugge“) und der übliche Tourneemaradion. Werden so Popstar-Träume wahr?

„Ich hab‘ mir das alles ganz anders vorgestellt“, winkt Sandra mit leicht bitterem Lächeln ab. „Wenn man einen gewissen Bekanntheitsgrad hat, ist man halt auch ständig unterwegs, man hat keine Zeit für Familie und Freunde. Im Fernsehen habe ich immer nur die schönen Seiten des Ruhms gesehen dass man einen ziemlichen Preis dafür bezahlt, sieht man da nicht.“ Das Rockstar-Dasein – ein Jammertal? „Ich habe mir halt angewöhnt, das alles eher als Job zu sehen. So wie jemand, der jeden Morgen ins Büro geht, viel arbeitet und wenig Urlaub hat“, bleibt sie beharrlich, „Ich bin wie ein Beamter.“

Solch reichlich abgeklärten Sichtweisen gehören bei den Guano Apes zum Credo; immer wieder betont Sandra, ihre Band sei „bodenständig“ und auch „nicht abgehoben“ und entmystifiziert auch die eigene, für hiesige Verhältnisse sprunghafte Karriere nach Leibeskräften. „Es so zu betrachten, ist für mich schlicht gesünder -sonst werde ich noch irgendwann zur Kunstfigur“, erläutert sie. Man spürt förmlich ihr Ringen um Bodenhaftung und positive Selbstverortung.

Dieser Realitätssinn, den ja bereits „Open Your Eyes“ lautstark eingefordert hatte, findet sein Pendant in der Musik der vier Göttinger. Auf ihrem zweiten Album „Don’t Give Me Names“ bemühen sich die Guano Apes noch mehr als auf dem Debüt „Proud Like A God“ um ein möglichst unverfälschtes Bandkorsett. Die Loops und digitalen Schnipsel sind jetzt verpönt („Wir haben uns damals leider reinreden lassen“), Statt dessen gibt es viel Grobmotorik und Crossover-Riffs, wie sie auch den Kollegen von Skunk Anansie noch immer allzu oft einfallen.

Das uneingeschränkte Bekenntnis zur rauhen Schale beißt sich mit dem Produktionsdesign: Auf „Don’t Give Me Names“ klingt alles groß und gar nicht kantig. Vielschichtiges, facettenreiches Songwriting erhält man bei den Guano Apes wenig. Über solche Kritik ist Sandra verwundert – zumal das Album auf Platz eins der Charts eingestiegen ist. „Wir haben doch wieder eine vielseitige Mischung aus punkigen, balladesken und sehr harten Sachen zusammengestellt“ Ja, schon. Jedenfalls konnte ich mich stimmlich so austoben wie noch nie.“ Auch das ist korrekt; Sandras Stimme verdankt die Band schließlich ihren Ruhm.

Das Kuriosum „kleine Frau – gewaltiges Organ“ sorgt hier zu Lande noch immer für kollektives Erstaunen – und in dieser Hinsicht gießt die tatsächlich eher zierliche junge Dame nur allzu gern Öl ins Feuer. „Ich bin dafür bekannt, dass ich ab und an schreie wie ’n Kerl Dass es unser Markenzeichen geworden ist, gefallt mir.“ Auf die Frage, ob dieser derbe Ausdruck mehr Ventil ist oder Schauspiel, reagiert die Sängerin verständlicherweise leicht angefasst. „Wenn ich singe, ist das natürlich kein Schauspiel. Das mag jetzt ein bisschen nach diesen Psychozeugs klingen: Aber um mich vollständig ausdrücken zu können, muss ich manchmal rumschreien.“ Ihr Bedürfnis, dem Publikum gegenüber „ehrlich“ zu sein, führe schon mal zu „Momenten emotionaler Erschöpfung“. Dann, sinniert Sandra Nasic, „hab‘ ich doch manchmal Angst, ich könnte auf der Bühne zuviel von mir preisgeben.“

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