Gwendoline Riley – Die artverwandten Wesen

Gwendoline Riley ist der Popstar unter den britischen Autorinnen. In ihrem dritten Roman, "Joshua Spassky", dauert die Jugend ewig - und trotz aller Liebe bleiben die Männer fern.

Gwendoline Riley ist der Traum des Feuilletons: Sie ist jung, hübsch, trotzig, verrucht bis sexy und leidet nicht unter der Macke, dass sie ihre Reize verstecken sollte. Sie lebt in Manchester und besetzt die Marktlücke der aufregenden Schriftstellerin. Auf dem Feld ist die Konkurrenz dürftig, die Nachfrage immens – und so ist es auch leicht zu erklären, dass ihr Debütroman auf gewaltiges Interesse stieß. Selbst der „Stern“ berichtete groß über sie und hatte jede Menge Fotos von ihren schlanken Beinen und ihrem Schmollmund gemacht. Die Literatur folgt wohl, wen wundert es, denselben ästhetischen Kriterien wie jedes andere Produkt.

Ihr Erstling „Cold Water“ war hübsch zu lesen, das zweite Buch „Carmel“ geriet erwartbar etwas schwächer – es gemahnte an einen Fortsetzungsroman. Wieder war es eine junge Frau in Manchester, die eine schwierige Kindheit hatte und mit ihrer Freundin bei kühlen Temperaturen leicht alkoholisiert über den Sinn des Daseins nachdenkt. Doch enntäuschte dieser Roman im Vergleich mit dem ungestümen Erstling, der noch weitaus mehr Ro++eit, Naivität und Gradlinigkeit hatte.Riley hatte jedenfalls ihr Thema gefunden: Sie schrieb über das Jungsein, die „Jahre der Anarchie“ – und kümmerte sich einen Dreck um die ganze Mühsal, die noch folgen würde.

„Joshua Spassky“ (Schöffling & Co.) ist ihr drittes Buch, das ebenfalls einige Zutaten der beiden Vorgänger hat. Die Erzählerin Natalie kommt auch aus Manchester, auch sie ist vaterlos aufgewachsen, und auch sie steuert recht ziellos durchs Leben. Zuweilen nimmt sie sich selber mit sehr großer Geste sehr wichtig, und wenn sie dann unter ihrer Existenz leidet, verfolgt man das mit einem ein wenig unangenehmen Gefühl, ungefähr so, wie wenn Mädchengruppen auf einmal Beyoncé-Lieder in der U-Bahn summen. Aber es berührt einen doch.

Natalie, die erst in einem Buchladen gearbeitet hat und jetzt Schriftstellerin ist, erzählt ihre Liebesgeschichte mit Joshua. Sie ist 27, er ein geschiedener Mann, der mit vielen Frauen zusammen war und einige Jahre älter ist als sie. Wenn er müde ist, sieht sie ihm sein Alter an: „Die Furchen unter seinen Augen verliefen abwärts.“ Fünf Jahre nach ihrer ersten Affäre treffen sie sich wieder in Asheville in North Carolina und verbringen einige Tage im „Days Inn“. Er hat ein schlechtes Gewissen: „… weil ich nicht angerufen habe. Es war – rücksichtslos.“ Natalie, eine offensichtlich außergewöhnliche Frau, ist an Problemgesprächen nicht interessiert. „Na, um das jetzt alles durchzukauen, ist es ein bisschen zu spät.“ Er neigt zu komplizierten Komplimenten, wenn er gesteht, dass er „jede Freundin, die ich je hatte, betrogen habe“ – und ihr verspricht, dass sie die große Ausnahme sein werde. Und sogar sein Geständnis, dass er sich von seiner derzeitigen Freundin dann doch nur „eine Auszeit“ genommen hat, ist ihr herzlich egal: „Doch seine Worte waren völlig unerheblich. Sie waren das Geräusch, das er machte, wie eine Katze schnurrt oder ein Vogel zwitschert.“ Riley hat sich im Vergleich zu den beiden anderen Werken nun eine etwas liebevollere, wenngleich nicht gerade vielversprechende Variante eines Mannes erdacht. Und es bleibt dabei, dass für Riley Männer so ferne, allenfalls artverwandte Wesen sind, wie es für Maxim Biller oder Hanif Kureishi die Frauen bleiben.

Eine leichte Liebesgeschichte hat sie geschrieben, eine Geschichte ohne Dramen und Zerwürfnisse, Aufrechnungen und Besitzansprüche. Ihre Natalie kennt keine Verpflichtungen, hat unendlich viel Zeit, sie ist nie gehetzt oder getrieben durch einen Lebensplan. Belanglos oder seicht wird die Erzählung trotzdem nicht, sie ist eher wie ein gut gelaunter Popsong, in der die Jugend ewig dauert. Und was kommt danach? „Ich denke, wenn man älter als 27 Jahre wird“, ahnt sie, „betritt man eine Welt des Horrors.“

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