Haben UNDERWORLD den Blues? Klingt so, aber der Londoner Partyservice ist doch krisenresistent

Der wichtigste Apparat im Gerätepark von Underworld ist analog: ein Notizbuch, zerfleddert, mit Eselsohren und speckigem Einband. Jeden Abend schreibt Karl Hyde auf, was vom Tage übrig blieb: Dialogfetzen, Selbstgespräch-Fragmente. Darunter auch Sätze wie diesen: ‚Brandon is not a nice guy, but Alex is sooo nice.‘ Eine gewisse Juanita habe das in einer Kneipe von sich gegeben.

Für das neue Underworld-Album musste Juanita diese wenig prickelnde Aussage noch mal einsprechen, nach dem zehnten Loop klingt sie richtig sexy, so sophieellisbextorsexy, also leicht gelangweilt und arrogant nasal. Der Track heißt „Two Months Off“, das Album „A Hundred Days Off. Der Ferien-Aspekt war ja stets zentral bei Underworld, diesen Partymusiklieferanten für die gehobene Ibiza-Rambazamba-Stranddisco. Die Insel leidet bekanntlich unter Besucherschwund, in London schlössen viele Superclubs: Hoppla, so war tnurdah on the danceflaah doch nicht gemeint. Passenderweise klingt die neue Underworld-Platte, als ob Techno den Blues hat, gelegentlich sogar rustikal folkig, verhaltener und schwermütiger als die Vorgänger.

Was Krisen-Management angeht, hat die Band einige Erfahrung. Hyde und sein Partner Rick Smith sind Teilhaber bei der Londoner Multimedia-Agentur „Tomato“, die mit künstlerisch wertvollen Werbespots für Großkunden wie Adidas und MTV gute Geschäfte machte – bis die Rezession einschlug. „Wir haben uns gesagt: Okay, auf dem Werbemarkt ist Flaute, machen wir halt was anderes!“ sagt Hyde. „Machen wir eine Ausstellung, designen ein Buch-Cover oder eröflhen irgendwo eine Tomato-Schule.“ Werbung für Bier oder Zigaretten war für ihn aber selbst dann tabu, als sein Haus zwischenzeitlich kurz vor der Pfändung stand. Underworld funktioniert wohl so ähnlich wie „Tomato“ – das Schicksal der politisch korrekten Designer-Popband ist eng verwoben mit dem Schicksal der moralisch rigorosen Designer-Popfirma.

Und wie sieht’s aus mit Aufstiegschancen? Juanita, erzählt Hyde, war anfangs Telefonistin bei „Tomato“. Heute ist sie Geschäftsführerin. Was aus dem nicht so netten Brandon geworden ist, weiß er nicht.

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