Hartz IV

„Fordern und fördern“ wollte angeblich die rot-grüne Regierung Gerhard Schröders, als sie 2004 ihr Gesetz zur „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ vorstellte. Der kecke Volksmund nannte die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu einer extrem knapp bemessenen Fürsorgeleistung allerdings schon bald „Hartz IV“ -nach einem der Erfinder, dem später wegen der sogenannten VW-Affäre zu einer Haftstrafe verurteilten Manager des Wolfsburger Autohauses Peter Harte. Von den insgesamt 15Mitgliedern der Kommission, die dieses Gesetzgeswerk erarbeitet hatte, waren mehr als die Hälfte Wirtschaftsmanager. Ein Unternehmensberater von McKinsey war auch dabei.

„Nahezu jeder kennt einen Menschen, der von .Hartz IV betroffen ist“, hieß es in der Begründung der Gesellschaft für deutsche Sprache, die Hartz TV zum Wort des Jahres wählte. Und tatsächlich waren auch im eigenen Milieu immer mehr Menschen mit Zwangsmaßnahmen konfrontiert. Der Traum, einen erlernten Beruf tatsächlich auszuüben, wurde immer unrealistischer. Eine Ein-Euro-Arbeitspflicht und hochnotpeinliche Wohnungskontrollen sind nur zwei von vielen repressiven Mitteln bei diesem härtesten Sozialeinschnitt der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Unwort des Jahres 2004 wurde übrigens der Begriff „Humankapital“, weil er Menschen zu bloß ökonomisch interessanten Faktoren degradiert. Die Ideologie des Neo-Liberalismus prägte also ganz offensichtlich das Jahr, und „Fördern und Fordern“ war der Schlachtruf seiner eifrigsten Vertreter. Wer den Regelsatz von 345,- Euro bekam, gehörte ab sofort zur Unterschicht. Also jenen Menschen, die in den Medien von nun an verstärkt als dick, dumm und RTL-abhängig beschrieben wurden. Dass es ausgerechnet eine rot-grüne Koalition war. die Deutschland mit der „Agenda 2010″‚fit machen wollte für die Herausforderungen des globalen Kapitalismus, wird heute auch von vielen Sozialdemokraten herzlich bedauert. Die SPD habe damals ih r Herz verloren, seufzen die alten Sozis, und blicken neidisch auf die stetig wachsenden Erfolge der Linken.

Ein weiteres großes Thema war die im August 2004 eingeführte Sondersteuer auf die sogenannten Alkopops. Sie erinneren sich sicher an die meist grellbunten Süßigkeiten zum Zuballern, die sich unter Teenagern großer Beliebtheit erfreuten. Fast täglich lallten in schnell zusammengeschusterten TV-Reportagen ein paar 15-Jährige Stammelsätze ins Mikro, die in der Kernaussage mündeten: „Dasss isss soo schön süiiss, da schmeckt man gar nich, dasss Alkohol drin iss.“ Ernst und traurig dagegen das Massaker in einer Schule in Beslam im russischen Nordossetien. Der Angriff einer Gruppe von schwerbewaffneten Islamisten führte zu einem mehrtägigen Geiseldrama mit mindestens 394 Toten. Was genau dort geschehen war, ist auch heute noch unklar. Die deutschen Medien nannten die Ereignisse damals „Putins Ground Zero“ und kritisierten die Vertuschungen der russischen Regierung.

Auch die alten Geschichten aus dem Führerbunker sorgten noch einmal für Gesprächsstoff. „Der Untergang“ mit Bruno Ganz als zünftig schnarrendem Hitler warf der Frage auf ob man den Führer auch von seiner menschlichen Seite zeigen dürfe. Also so, wie in Historienschinken Napoleon und Julius Cäsar gerne dargestellt werden: als für alles Verantwortliche, deren Leiden in der Stunde der Wahrheit tragische Züge annimmt. Zu viel der Ehre für das Würstchen aus Braunau. Apropos: Bei den US-Präsidentschaftswahlen wurde George W.Bush erneut zum Präsidenten gewählt. Und wir lernen: Man darf die Hoffnung nie aufgeben.

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