Heinz Rudolf Kunze forderte die Radio-Quote für deutsche Popmusik – und erntete prompt Ohrfeigen von allen Seiten

Heinz Rudolf Kunze ist ein Osnabrücker Sänger, dessen Lieder man nicht allzu oft im Radio anhören muß. Das will Heinz Rudolf Kunze dringend ändern: Gemeinsam mit dem „Deutschen Rock- und Popmusikerverband“, der bereits seit Jahren dieses Thema propagiert, fordert er eine Zwangs-Quote von 40 Prozent „für Produktionen einheimischer, insbesondere deutschsprachiger Künsderlnnen“ – ein Ansinnen, das unter anderen auch von Udo Lindenberg und Wolfgang Niedecken unterstützt wird, deren Karrieren bekanntlich auch schon mal besser liefen. So oft schon hat sich Kunze um Kopf und Kragen geredet, daß vom Kopf nicht mehr viel übrig ist. Mitte Juni, im Interview mit dem „Spiegel“ (25/96), sprach es jedoch erneut aus dem schäbigen Rest. Kunze stellte vollmundig klar, daß es ihm nicht etwa um – völlig legitime – eigene kommerzielle Interessen gehe, sondern um Großes zu tun sei, um Deutschland nämlich und die deutsche Identität, die er, wie der von ihm gelobte Martin Walser, „nicht dem rechten Rand überlassen“ wolle. Auf gut deutsch heißt das wohl: Kunze und Walser können den ominösen rechten Rand nicht halten. „Ich habe den Eindruck, daß gerade in Deutschland und in Japan, in den Verlierernationen des Zweiten Weltkrieges also, die Flut von ausländischer Musik und eben auch von ausländischem Schund besonders widerstandslos geschluckt wird“, quoll es vegetativ aus Kunze heraus. Nach der von Kanther & Co. konstatierten „Flut von Asylanten“ droht nun eben „die Flut von ausländischem Schund“, und gegen die müsse sich der Deutsche nun endlich einmal entschieden zur Wehr setzen – ganz so, wie sie das vor tausend Jahren schon einmal taten gegen das, was Kunzes Vorgänger im Geiste „verjüdelte Negermusik“ nannten. Die vom „Spiegel -Interviewer zaghaft eingewandte „Skepsis vieler Deutscher gegen staatlich verordnete Deutschtümelei“ findet HLR. Kunze heute „nicht mehr berechtigt, sondern ziemlich krank“ – rundherum gesund ist nach dieser Logik dann wohl, wer am Volksempfänger strammesteht, „Heil Herzilein!“ schmettert und vollends aus dem kollektiven Reihenhäuschen gerät, wenn Heinz Rudolf Kunzes hausgemachte Lyrik ertönt, Marke „Sie sitzt am längeren Hebel/mein Herz hat Bodennebel.“ Oder es – wie Kunze selbst – „nicht böse gemeint“ findet, wenn Ole Seelenmeyer, das Sprachrohr des unsäglichen „Deutschen Rockmusikerverbandes“, vom „Genozid an der deutschen Rockmusik“ labert – als würde man gleich in die Gaskammer geschickt, wenn man nicht rund um die Uhr im Fernsehen und im Radio gespielt wird; Kunze nannte das ekelhafte Sich-brüsten mit anderer Leute Leiden und Qual verständnisinnig „verbalen Punk“, als ob er wüßte, was das ist. Was soll auch schon dabei herauskommen, wenn ein Schnäuzerträger über Punk redet? Daß Heinz Rudolf Kunze, den wir obendrein auch noch als Besitzer einer tödlichen Dogge kennenlernen durften, den rechtsradikalen Kampfquark von der bedrohten kulturellen Identität auftischt – und dabei von anderen, nicht minder ödpn Deutsrhrockern unterstützt wird, kann niemanden überraschen, der die Platten dieser Herrschaften einmal gehört hat: Wenn die Propagandisten der eigenen Mittelmäßigkeit nicht mehr weiter wissen, entwickeln sie ein feines Gespür für das, was aktuell gerne gehört wird, greifen nach jedem unschuldigen Strohhalm und springen auf die Sau, die gerade durchs Dorf wetzt. Diesen opportunistischen Akt nennen sie dann wie Kunze „einenwichtigen Gedanken“ und gerieren sich als Opfer, die für ihren Mut auch noch „Ohrfeigen“ bekämen, obwohl sie doch die Volksgemeinschaft sicher hinter sich zu wissen wähnen. All das ist nicht neu; originär unappetitlich an Heinz Rudolf Kunze ist allerdings, daß einer, der sich seit Jahren explizit auf Elvis Costello, Pete Townshend oder aber die Kinks beruft (ohne daß man seiner Musik davon auch nur das Geringste anhören würde), sein deutschnationales Geknurre auch noch im Namen anderer ausstößt: „Mir geht es um Schrägdenker und den Nachwuchs wie Die Sterne, Mastino und Blumfeld aus Hamburg oder Capar Brötzmann und Element Of Crime aus Berlin, die in den Medien nicht gehört werden“, behauptet Kunze im Spiegel“ – und versucht so klammheimlich, scheinbar Gleichgesinnte zu sich herabzuziehen. Und sich ganz nebenbei bei deren jungem Publikum anzubiedern – genau so, wie er sich schon bei der SPD als Hymnenschreiber angekumpelt hat. Es wäre schön und wünschenswert, wenn die von Kunze – selbstverständlich ungefragt und ungebeten – vereinnahmten Musiker sich das ärgerliche „Deutschland!“-Gekeife ebenso nachhaltig verbitten würden wie die Jovial-Beleidigungen „Schrägdenker“ und „Nachwuchs“. Und einen Musiker, der nichts kann und nichts taugt, den erkennt man fortan an seiner Mitgliedschaft im „Deutschen Rock- und Popmusikerverband“.

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