Import – Export

Die Zahlen klingen vielversprechend. 174 deutsche Produktionen kamen 2007 ins Kino. 23,4 Millionen Besucher sahen die Filme, das entsspricht einem Marktanteil von 18,9 Prozent. Und wie Erfolg aussehen muss. zeigt den Kollegen vor allem ein Heimkehrer: „Keinohrhasen“ von und mit Til Schweiger hat bislang 5,4 Millionen Zuschauer ins Kino gelockt. Nach „Barfuß“ ist es sein zweiter Hit. Als Schauspieler ist er in Hollywood zwar gescheitert, aber er scheint dort recht gut aufgepasst zu haben. Doch nicht nur der Import von Romantik-Komödien funktioniert. Hiesige Regisseure haben sich zum Exportschlager entwickelt. Hollywood, so heißt es, schätzt die Deutschen wegen ihrer Genrefilme.

Dass deutsche Maschinenbauer die kalifornische Traumfabrik beliefern, klingt wiederum erst mal paradox. Denn wie die Handwerker Roland Emmerich und Wolfgang Petersen sind auch heute Genrefilmer wie Robert Schwentke („Tattoo“, „Flight Plan“), Mennan Yapo („Lautlos“, „Die Vorahnung“) oder Christian Alvart („Antikörper“, „Case 39“) hierzulande weiterhin eine Minderheit. Der deutsche Regieakademiker bevorzugt eher experimentelle Dramen, in denen er sich – wie einst die Autorenfilmer der Siebziger selbst verwirklicht. Das kommt allenfalls bei den Franzosen an. die um Christian Petzold („Yella“), Benjamin Heisenberg („Schläfer“) oder Matthias Luthardt („Pingpong“) eine Nouvelle Vague Allemande gesichtet haben wollen.

Wie schwer es sein kann, einen Genreplot zu kreieren, zeigt Christian Zübert („Lammbock“) mit „Hardcover“ (Start: 3.4.), der zugleich das Gangster-Genre parodiert. Darin will sich ein junger Krimiautor von allen Klischees befreien und einen großen Tatsachenroman verfassen. Einblicke in die echte Halbwelt soll ihm ein dämlicher Kleinganove verschaffen. Tatsächlich aber sucht er nach Stereotypen, die sich nicht erfüllen. Die vermeintliche Realität ist hier der Mythos und nicht jeder Boss vom Kiez ein AI Capone. Zübert kann sich mit dem Drehbuch gewiss für Hollywood empfehlen, vermasselt als Regisseur aber die meisten Pointen.

Nach dem Vorbild von Martin Scorseses „Mean Streets“ erzählt dagegen Özgür Yildirim in seinem Regiedebüt „Chiko“ (Start: 17.4.) eine fulminante Milieugeschichte über zwei junge Türken und ihren Traum vom Gangsterleben. Chiko (Dennis Moschitto) und Tibet (Volkan Özcan) sind im Hamburger Sozialbau-Ghetto Mümmelmannsberg aufgewachsen und wollen groß ins Drogengeschäft einsteigen. Für Chikos führt der Weg dahin nur über Respekt. Den holt er sich mit schlagkräftigen Argumenten bei dem Großdealer Brownie (Moritz Bleibtreu), der ihn bald zum Partner macht. Doch ein Fehler von Tibet führt zum Zerwürfnis und zu einer Entscheidung nicht nur über Leben und Tod.

Yildirims von Fatih Akin produzierter Film bildet die andere Seite von Züberts Farce ab. Chiko kauft sich einen weißen Mercedes wie 50 Cent, berauscht sich an Koks und Luxus wie AI Pacino in „Scarface“. Er hat mit coolen Sprüchen die Attitüde von Gangster-Rappern verinnerlicht, über die Zübert spottet. Doch Yildirim zeigt zwischen Tradition und Migration, sozialem Aufstieg und moralischem Abgrund ein harte Wirklichkeit, die mit hoher Professionalität nach den Regeln des Genres inszeniert ist. Die letztlich universelle Thematik sollte auch zum Export taugen.

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