Karin Park: Kein Salsa in Schweden

Apokalypse jetzt: Karin Park inszeniert ihren Elektro-Pop als tanzbare Psychotherapie.

Gäbe es jedes mal einen Schnaps, wenn Karin Park das Wort „fuck“ in den Mund nimmt, würde wohl jedes Gespräch mit ihr unterm Tisch enden. Trotzdem legt sie mit ihrer nordischen Blässe bei einer Größe von 1,90 Meter reichlich Eleganz an den Tag – ebenso aber auch etwas  fucking Furchteinflößendes. Dass Parks Stimme fast exakt so klingt wie die von Karin Dreijer Andersson (Fever Ray, The Knife): „Wen inte-ressiert’s?“, fragt sie prompt. Die Künstler ihrer Heimat Schweden seien eh alle melancholisch. „Wenn man in Skandinavien lebt, macht man nun mal keinen Salsa.“

2014 war für die 36-Jährige ein düsteres Jahr. Es färbte ihren Pop-Sound, verlieh ihm eine rebellische Note, machte aus der Künstlerin gar eine Art skandinavischer Karen O. „Ich bin in eine verlassene Kirche im schwedischen Nirgendwo gezogen, da ist es gespenstisch und wahnsinnig kalt“, erzählt sie. Der Grund, warum Karin Park ihr eigentlich geplantes und auch schon aufgenommenes Album über Bord warf und noch einmal von vorn begann, war jedoch ein anderer: „Mein Freund bekam Krebs, und ich habe mich zeitweise wie ein richtiges Arschloch aufgeführt. Aber wenn man tief und hart auf den Boden fällt, nimmt man von da echt interessante Sachen mit.“ Mittlerweile, so behauptet sie (natürlich mithilfe von ein paar „fucks“), sei sie Fan von „emotionalem Sadismus“ und habe sich entschieden, ihre Musik so klingen zu lassen. Zwar ist „Apocalypse Pop“ schon ihr fünftes Album, doch den früheren Sound findet das schwedische Model selbst „langweilig, zu glatt“. Ihrem prominenten Ex-Produzenten Christoffer Berg (Depeche Mode, The Knife), der häufig für ihren markanten Klang verantwortlich gemacht wird, ist Park deswegen aber nicht böse. „Das half mir ungemein“, gibt sie zu. „Doch dieses Mal brauchte ich bessere Leute.“

Also schickte Park Fotos an den Teilzeit-Massive-Attack-Produzenten Dan Brown: „Er begriff auf diese Weise sofort, wie das Album klingen sollte.“ Dabei möchte man meinen, dass dafür schon ihre Texte genügten. In dem Song „Hard Liquor Man“ zieht sie Parallelen zwischen Putin und Pussy Riot, in „Daemons“ wartet sie – inmitten von Krebszellen – „with a pin-up smile for it to go boom“. Karin Park scheut sich auch nicht, sich in ihren Texten selbst als „cunt“ zu bezeichnen; für sie übrigens ein gravierender Unterschied zu Dreijer Andersson: „Ich schlüpfe nicht in Rollen. Wenn ich in meinen Songs mich selbst oder andere beschimpfe, meine ich das genau so.“

Dafür zeichnet wohl das Songschreiber-Team MachoPsycho verantwortlich, mit dem sie 2013 den norwegischen Beitrag zum Eurovision Song Contest schrieb, der immerhin den vierten Platz erreichte. „Die Jungs haben mir beigebracht, das Bluffen sein zu lassen“, resümiert Park die fruchtbare Zusammenarbeit. „Ich schwöre: Erst wenn man das Pokerface ablegt, kommt ein guter Song dabei heraus!“

Um das Betörende dieser Musikerin zu erkennen, genügt es, ihre Single „Look What You’ve Done“ zu hören, die Parks Vorliebe für Menschen thematisiert, die ihr eigentlich schaden. „Vielleicht bin ich ja fasziniert vom Stockholm-Syndrom“, sagt sie. Auch musikalisch definiert sich in diesem Song ihre Künstlerfigur: Treibende Bass-Drums und peitschenartige Snares „triggern“, so Park, das Adrenalin. „Ich bin echt gut! Nennt mich Synthesizeristin, ich kann alles!“ Das schließt auch echte Instrumente nicht aus – wie verzerrte E-Gitarren, die im Elektro-Pop schon länger nicht mehr zu hören waren.

Auf „Apocalypse Pop“ reißt Karin Park ihre Zuhörer mit in ihre Abgründe – und dort unten kann man wunderbar mit ihr tanzen.

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