Klang-Skulptur

Der geniale Komponist Ryuichi Sakamoto legt ein Album mit Ambient-Musik vor - und eines mit schlichten Piano-Fassungen seiner Musik.

Doch: Sie kennen Ryuichi Sakamoto. Vielleicht von den Bertolucci-Filmen „Der letzte Kaiser“, „Little Buddha“ und „Himmel über der Wüste“, für die Sakamoto die Soundtracks komponierte. Oder sie erinnern sich an die Musik von „Furio -Merry Christmas, Mr. Lawrence“, in dem der Japaner zudem an der Seite von David Bowie als Schauspieler zu sehen war. Brian DePalma, Pedro Almodövar, Oliver Stone – weitere Regisseure, die sich von Sakamoto Scores verfassen ließen.

Vielleicht erinnern Sie sich aber auch an das Yellow Magic Orchestra, jenes Trio, mit dem Sakamoto Ende der Siebziger von Tokio aus zu weltweitem Ruhm gelangte – jedenfalls in den eingeweihten Kreisen. Das YMO wurde zu einem Wegbereiter für elektronische Musik, für den Grenzgang zwischen Avantgarde und Pop. Das ist das interessanteste Kapitel dieser Biografie, weil Sakamoto auf David Sylvian und David Bowie traf, aber auch auf Kraftwerk, mit denen das YMO viele Interessen teilte. „Mich hat deutsche Musik immer sehr interessiert“, sagt Sakamoto, „nicht nur wegen der technologischen Aspekte, sondern auch wegen der innovativen Haltung, die ich bei den Musikern beobachtet habe.“

Sakamotos Werk ist durchzogen von dem Habitus des bildenden Künstlers, von Diskurs, Klangforschung und Neugierde. Da kam also Ende der Siebziger ein Japaner in die europäische Kunstmusikszene, und die Kulturen kollidierten. „Nein, so war das nicht“, klärt Sakamoto auf. „Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Japan sehr schnell sehr westlich, die eigene Kultur war zerstört. Ich bin nicht mit japanischer Musik aufgewachsen, sondern mit britischer und amerikanischer. Deshalb war es kein Kulturschock, als ich nach Übersee ging. Leute wie Bowie und Sylvian lernte ich kennen, als wir mit dem Yellow Magic Orchestra international reisten. Doch eigentlich kannten wir sie schon längst, weil wir ihre Musik hörten, weil sie uns inspirierten.“

Anders als die meisten dieser Brüder im Geiste, ist Sakamoto nicht nur genialer Dilettant, sondern hochdekorierter E-Musiker, Konzertpianist und studierter Komponist. Einige der oben genannten Auftragsarbeiten sind atemberaubende Studien der Musikkulturen, harmonisch komplex und voller brillanter Melodien. Von weitem meint man, der Sakamoto kann jeden Stil und schüttelt alles aus dem Ärmel. „Das ist ein großes Missverständnis“, widerspricht der Künstler energisch. „Wissen Sie, was ich gemacht habe, als ich den Auftrag für den Soundtrack zum ,Letzten Kaiser‘ bekam? Ich lief in einen Plattenladen um die Ecke und kaufte mir eine Anthologie chinesischer Musik. Filmmusik ist eine großartige Möglichkeit, sie zu studieren und kennenzulernen.“

Nun hat Sakamoto ein neues Werk fertiggestellt, „Out Of Noise“: instrumentale Stille, Brian-Eno-artige Atmosphären, Musik wie in der Vernissage. „Damit gehe ich zurück zu meiner Teenager-Zeit. Damals haben mich Leute wie John Cage sehr inspiriert. Diesmal wollte ich natürlichen Objekten musikalische Elemente abringen. Wir haben zum Beispiel Eis aufgenommen und die Aufnahmen im Computer bearbeitet.“ Zugleich erscheint „Playing The Piano“: Sakamoto spielt Auszüge aus seinen Soundtracks und Solowerken, assoziiert, zerlegt und setzt neu zusammen. Die Aufnahmen seien nichts Besonderes, sagt er – er spiele ja seine Konzerte immer so.

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