Kleine Effekte

Prinzipiell sehen sich The Futureheads immer noch als Punkrocker, aber ihr Sound ist recht raffiniert

Manche Bands denken sich die absonderlichsten Geschichten aus, um zu erklären, warum ihre Musik so und nicht anders klingt: Mal ist es ein gerechter Zorn auf die Gesellschaft, mal verdrehte Kunsttheorien, mal ein übergroßes Herz für alle Menschen und Tiere. Wenn man aus einer bodenständigen Arbeiterstadt wie Sunderland kommt, neigt man allerdings eher dazu, die Wahrheit zu sagen: „Wir haben in der Garage von Barry Davis‘ Eltern angefangen zu proben. Es war arschkalt, deshalb waren wir alle scharf darauf, was zu tun, um uns warmzuhalten“, erklärt Bassist David „Jaff“ Craig die vertrackten, vierstimmigen Chor-Arrangements der Band. „Wir haben ganz schön aufs Tempo gedrückt, mächtig laut gesungen und unsere ganze Energie rausgeblasen. Bei Auftritten war’s weniger die Kälte, die uns antrieb, eher unsere Schüchternheit. Keiner von uns hatte vorher in einer Band gespielt und erst recht nicht in aller Öffentlichkeit gesungen. Inzwischen sind wir selbstsicherer und erwachsener geworden“, findet Jaff und sieht dabei immer noch aus, als hätte er die Abi-Party gerade erst hinter sich.

Mit ihrem Dcbütalbum schafften es die Futureheads vor zwei Jahren bis auf Platz elf der britischen Charts. Ihre Coverversion des Kate-Bush-Klassikers „Hounds Of Love“ kam sogar in die Top Ten der Single-Charts und wurde vom „NME“ als „Track of the Year 2005“ gefeiert. Das neue Album „News And Tributes“ ist für die kaum über 20-Jährigen nun ein großer Schritt nach vorne. Die Arrangements sind raffiniert und verschachtelt, stecken aber voller großartiger Popmelodien. Die Gitarren und der vielstimmige Gesangwickeln und ranken sich umeinander, immer höher, immer weiter. Ein Vergleich mit XTC drängt sich auf, die Musiker nennen auch Buzzcocks, Devo und den Chorgesang von Byrds, Beatles und Beach Boys: „Wenn alle singen, ist das, als hätten wir vier weitere Instrumente. Das macht einen besseren Sound, und auch live kann man mit den Stimmen lauter hübsche kleine Effekte einbauen.“

Das neue Werk entstand in der ländlichen Umgebung von Scarborough, zusammen mit Ben Hillier, der vorher bereits mit Depeche Mode und Blur gearbeitet hat. „Das war kein richtiges Studio“, erinnert sich Bassist Jaff. „Ben Hillier brachte sein ganzes Equipment in dieses alte Bauernhaus. Schon seit Monaten hatte dort kein Mensch mehr gewohnt, deshalb konnten wir die sehr unterschiedlichen Gebäude und Ställe für die Aufnahmen nutzen. Das Schlagzeug hatten wir in einem wahnsinnig langen Kuhstall aufgebaut. Einige Gitarren-Parts haben wir im Gewächshaus aufgenommen.“ Vor diesem Studio-Aufenthalt nahmen die vier Futureheads noch Gesangsstunden bei Seth Riggs, einem legendären Vocal-Coach, zu dessen Schülern Ray Charles, Stevie Wonder und Michael Jackson gehören. „In seinem Haus in Beverly Hills hingen 22 goldene Schallplatten – allein für Michael Jacksons „Thriller“. Riggs ist ein ziemlich exzentrischer Typ, aber er hat uns ein paar wirklich gute Übungen und Techniken gezeigt.“ Trotz aller Finessen haben es sich die Futureheads jedoch nicht nehmen lassen, auch die Lärmorgie „Return Of The Berserker“ aufs Album zu packen: „Damit niemand auf die Idee kommt, wir hätten uns komplett geändert. Im Prinzip sind wir immer noch Punkrock.“

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