Kosmonauten kommen wieder

Für verdienstvolle Krautrock-Wiederveröffentlichungen gibt es kein Fördergeld - im Export sind sie manchen Dollar und Yen wert

Kann man mit Krautrock-Wiederveröffentlichungen heute noch Geld verdienen? Zum Beispiel mit Harmonia, dem melodiebetonteren Zweitprojekt der Cluster-Mitglieder Dieter Moebius und Hans-Joachim Roedelius mit dem damaligen Neu!-Gitarristen Michael Rother? Was sich heute wie eine begehrte Supergroup der Ambient-Musik liest, stand bei der Plattenfirma Brain ja schon 1974 klar im Schatten der heute wenig respektierten Aushängeschilder Jane, Novalis oder Grobschnitt, die das Label (damals unter dem Dach der Metronome) eigentlich finanzierten.

„Ich hatte es zunächst gar nicht präsent gehabt, wie viele Prog-Rock-Sachen auf dem Label rauskamen. Aber sie sind eben auch Teil der Brain-Geschichte und gehören in eine Re-Issue-Reihe mit hinein“, sagt Günther Buskies, der in Hamburg als freier Produktmanager vor allem Wiederveröffentlichungen betreut. Letztes Jahr machte er der Universal Records den Vorschlag, das auch im Ausland hoch angesehene Brain-Label wiederzubeleben.

Buskies‘ eigentliches Ziel war es, mit den ersten autorisierten CD-Veröffentlichungen von „Cluster II“ und „Musik von Harmonia“ vielen Käufern aktueller elektronischer Musik zu zeigen, wo das eigentlich herkommt“. Eine Art Kulturauftrag also, der in der internationalen Presse zwar gewürdigt wurde, doch wie lange diese Titel lieferbar sein werden, hängt von Verkaufszahlen ab. Und die waren eher unbefriedigend, als die Universal nach der ersten Lieferung mit sechs Brain-CDs im Februar Bilanz zog. Es sah schlecht aus für die zweite Ladung.

Größer sind Geduld und Leidensbereitschaft naturgemäß bei den vielen Kleinlabels, die sich auf Re-Issues verlorener Kraut- oder Deutsch-Prog-Perlen spezialisiert haben. Wie Joachim Borneleitus vom Berliner Label „Second Battle“: „Wir hatten 1989 mit der Neuauflage der ersten Eloy-LP im ausklappbaren Gimmick-Cover angefangen, da mein Kollege einen Kontakt zur Polymedia (heute: Universal) hatte. Die spätere CD-Ausgabe wurde dann von Polymedia für uns gepresst Sie hat sich sehr gut verkauft, doch nun ist die Geschichte wohl ausgelaufen, da Universal solche kleinen Sonderanfertigungen nicht mehr macht und wir nur mit Auflagen bis maximal 3 000 Stück arbeiten, um uns nicht zu übernehmen.“

Als Feld für Major-Labels sieht Borneleitus diese Platten sowieso nicht Die einst auf Philips und Vertigo erschienenen „Second Battle“-Titel (King Ping Meh, Tiger B. Smith und andere) seien in spezialisierten Mailorder-Listen weit besser aufgehoben seien als in Elektromarkt-Regalen. „Dazu arbeiten wir mit Händlern, die unsere Sachen weltweit exportieren. Die internationale Sammlerszene ist über deutschen Progressive-Rock extrem gut informiert.“

Ein Erfahrungswert, den auch Fuzzy Weissbrodt vom Münchner Ein-Mann-Label „Ohrwaschl“ bestätigt Für sein Programm, das 70er-Privatpressungen und fast alles vom Kultlabel „Kuckuck“ umfasst (Ihre Kinder, Deuter, Out Of Focus), fände er rund um den Globus Abnehme»; „nur mit Afrika sieht’s noch etwas schlecht aus“. Wichtig ist hier auch die Frage der Exklusivität Wenn eine Band wie Amon Düül 2 gleich an mehrere Interessenten Lizenzen vergibt, mindert dies die Gewinnchancen der einzelnen Hersteller schwer. Da kann die x-te Neuauflage nur durch die Aufmachung glänzen, wie es etwa das Bochumer Label „Garden Of Delights“ mit aufwändigen Booklets praktiziert. Repertoire Records will Amon Düül 2 demnächst in verkleinerten Original-Papp-Covern erneut veröffentlichen.

Bei Universal ging für die im November erscheinende nächste 6er-Reihe an Brain-Re-Issues – Novalis, Os Mundi, das zweite Harmonia-Werk „De Luxe“ doch noch mal der Daumen hoch. Der Grund, allen Zahlen zum Trotz: Gleich mehrere Universal-Filialen in Europa haben nach und nach Interesse bekundet, auch in Übersee sollen die Titel nun vertrieben werden, sogar auf Vinyl. Dennoch sollte man rasch zugreifen – dafür, wie die Brain-Vinyl-Re-Issues selbst wieder zu Raritäten werden, hat Günther Buskies eine lakonische Erklärung: „Auch bei kleinen Stückzahlen kann es sein, dass sie bei Misserfolg schnell gestrichen und vernichtet werden. Wegen der Lagerkosten ist das am günstigsten.“

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