Let’s do the Doom’n’Gloom

Früher war selbst der Weltuntergang gemütlicher.

Was waren das noch sorglose Tage, als man vor die Haustür trat und mit den netten Menschen vom „Wachtturm“ über den Weltuntergang plaudern konnte, über den „Har-Magedon“, den mythischen Berg in Israel, an dem der Herrgott, völlig frustriert, endgültig mit der Faust auf den Tisch hauen würde. Oder über die Omen, die „Zeichen der Zeit“, die den Wissenden auf Armageddon vorbereiten: Sollte man besser auf die nächste Heuschreckenplage achten oder auf ein Erdbeben jenseits der Richter-Skala? Könnte die Klimakatastrophe der Wink mit dem Zaunpfahl sein oder sollte man sich lieber gedulden, bis einem der Antichrist persönlich über den Weg läuft, oder – noch narrensicherer: die „Bestie“ mit der 666 auf der blutigen Stirn?

Gerne hätte man auch mal Prince an der Haustür begrüßt, der – seit sieben Jahren Zeuge Jehovas – nicht nur regelmäßig am Vereinstreffen in der „Kingdom Hall“ zu Los Angeles teilnimmt, sondern sporadisch, mit dem „Watchtower“ in der Hand, in Beverly Hills von Tür zu Tür geht, um die Ahnungslosen wachzurütteln. wie gerne hätte man von ihm erfahren, ob er schon damals, lange vor der Erleuchtung, mit „Sign 0′ The Times“ in Wahrheit alttestamentarische Apokalypsen besungen hat, warum er die „Gay Marriage“ für Teufelszeug hält und heute Songs schreibt, die wie ein vertonter „Wachtturm“ klingen.

Aber leider, für Lyrik und Blümeranz bleibt nicht mehr die Muße. Auf die Frage, was er von der moribunden Auto-Industrie in den USA halte, knurrte Michael Moore unlängst auf CNN: „Wenn Detroit den Bach runtergeht, wird das gesamte kapitalistische System verschwinden. Und wissen Sie was? Zum Teufel mit ihm!“ Zeit für die Frage, wie’s danach denn wohl weitergehen könne, blieb leider nicht mehr: Commercial-Break. We’ll be right back.

Zum Glück gibt es eine Plethora voll wundervoller Blogs und Web-Aggregaten, die uns auf den nahenden Weltuntergang einstimmen. Mein Favorit (und auch in den „Top 10 doom & gloom-sites“ im Web stets ganz oben) ist der begnadet eloquente James Kunstler, ein ehemaliger Redakteur des rolling stone, der auf seinem Blog „clusterfucknation“ den Abstieg des amerikanischen Imperiums bis zu Suppenküche und Gemüsegarten liebevoll vorzeichnet. (Aber Vorsicht beim Googeln: Via „Clusterfucknation“ landet man prompt auf einer Pornoseite – vielleicht auch ein Omen? -, während der rechte Weg über www.kunstler.com führt.) Nicht nur bei Kunstler merkt man, dass die pop-culture auch bei den Baby-Boomern der Finanzbranche angekommen ist. Chuck Butler von „The Daily Pfennig“ würzt seine Analysen gekonnt mit Song-Zitaten („Yes, l’m turningJapanese, I really think so“), während „The Mogambo Guru“ so fiebrig formuliert, als habe ihm Hunter S. Thompson die Feder geführt. Für Bill Bonner, den Grandseigneur der Armageddonista, ist der Untergang des Abendlandes natürlich ebenfalls beschlossene Sache. In seinem Blog „The Daily Reckoning“ blickt er hämisch auf die Hamster im kapitalistischen Rädchen und verhöhnt die verhuschten Finanz-Akteure gerne mal – Karl Marx lässt grüßen – als „Lumpen-Investoriat“.

Vergleichbare Finessen sucht man auf deutschsprachigen Websites vergeblich. Walter Eichelburg von Hartgeld.com schreibt verkniffene Kommentare wie ein frustrierter Studienrat, bei einem anderen Schweizer Portal, ansonsten durchaus lesbar, schreckt schon der arisch raunende Name: Zeitenwende.ch. Marc Faber, in deutschen Medien gern als „Dr. Doom“ zitiert, schreibt ebenfalls erschreckend humorfrei – und hat den „Doktor“ eh schon an Professor Nouriel Roubini abgeben müssen, der nicht nur die Kreditkrise prophetisch vorausgesagt hat, sondern auch die Zukunft in zart-schwarzen Pastelltönen malt.

Dick im Depressions-Geschäft ist auch Nassim Taleb: Sein Buch „Der Schwarze Schwan“, gerade in Deutschland erschienen, demonstriert die Unberechenbarkeit von Katastrophen anhand eines Beispiels: Im Mittelalter hielt man es für wissenschaftlich erwiesen, dass ein Schwan nur weiß sein könne – bis plötzlich, anno 1697 auf einer Expedition nach Australien, ein Schwan gesichtet wurde, der pechschwarz war. Anders gesagt: Unsere Zukunftsprognosen basieren auf empirischen Erfahrungen aus dem Lande „Mediocristan“, während die Volten der Geschichte tatsächlich in „Extremistan“ stattfinden.

Unlängst, zu Thanksgiving, gab Taleb eine neue Variante seiner Theorie zum Besten: „Würde man das Leben eines Truthahns als Börsen-Chart anlegen, sähen die ersten 1000 Tage wie ein Kursfeuerwerk aus: Das Futter kommt pünktlich, der Truthahn wird fetter, Investoren wittern einen Boom. Die Truthahn-Analysten werten den Lebensverlauf aus und kommen zu dem Ergebnis, dass die Perspektive exzellent und das Risiko minimal ist. Da dem Wachstum offensichtlich keine Grenzen gesetzt sind, werde der Truthahn schon bald die Größe eines Nashorns erreichen. Truthahn-Politiker treten zur Wahl an mit dem Argument, durch ihre Weitsicht eine bessere Welt geschaffen zu haben.

Doch dann, ganz plötzlich, läuft etwas furchtbar schief…“ Denn dann haben wir, um mit John Lennon zu sprechen, wohl wirklich einen „cold turkey“.

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