Melissa Etheridge

Der Rock ’n‘ Roll-Zirkus hat sie wieder: Ms. Melissa Etheridge steht nach ihrem „Erziehungsurlaub“ wieder auf der Bühne – mit alter Power und neuer CD im Gepäck. Zwei Jahre lang hatte das zierliche Energiebündel ihr neues Familienidyll genossen: Die langjährige Lebensgefährtin Julie Cypher gebar zwei Kinder, und Melissa schwelgte in Mutterglück. Doch diese zwei Jahre waren nicht allein geprägt von Windeln, denn Etheridge, die sich 1993 öffentlich als Lesbe geoutet hatte, engagierte sich vehement für eine schärfere Waffengesetzgebung und liberalere Rechte für homosexuelle Paare.

Du siehst etwas müde aus – zu lange gefeiert?

Von wegen feiern! Ich bin das Rock’n’Roll-Leben nicht mehr gewöhnt, denn wir liegen jetzt meistens schon um zehn im Bett! Unser Sohn Beckett wird im November ein Jahr alt, und Julie stillt noch. Das heißt jede Nacht aufstehen, obwohl wir diesmal schon wesentlich relaxter sind und nicht mehr auf jeden Atemzug hören, den er macht.

Wie sieht der Alltag aus?

Aufstehen, ein bisschen Sesamstraße gucken, frühstücken. Dann gehe ich ins Studio oder ins Büro und arbeite. Aber wenn Bailey (der Erstgeborene) spielen will, werd ich sofort schwach und lasse seinetwegen jeden Termin platzen!

Wie sehr hat denn das „Muttersein“ dein Leben inzwischen beeinflusst?

Wir wollten beide unbedingt Kinder haben, und als dann Bailey geboren wurde, wusste ich, dass das der Sinn meines Lebens ist. Ich bin endlich erwachsen geworden! Die Kinder haben Dinge in mir geweckt, die ich bis dato nicht kannte, emotionale Erfahrungen, die mir als Künstlerin ganz neue Impulse gaben. Ich seh die Welt nun auch durch die Augen meiner Kinder und fordere daher: Sie muss besser werden, da meine Kinder in ihr leben müssen.

Die meisten Eltern nehmen sich vor, alles ganz anders zu machen, als es ihre Eltern getan haben. Was willst du diesbezüglich besser machen?

Ich will sie mit Liebe überschütten! Und ich möchte ihnen jene Selbstachtung vermitteln, dank derer man es in der verrückten Welt da draußen schaffen kann. Meine Eltern waren völlig emotionslos, und so gesehen bin ich gefühlsmäßig fast verhungert. Dabei war mein Vater Psychologe! Aber er hatte null Ahnung, wie man Kinder erzieht! Ich möchte meinen Kindern ersparen, später ihre Kindheit bei einem Psychiater aufarbeiten zu müssen…

Hast du mal mit dem Gedanken gespielt, selber Kinder zu gebären?

Nachgedacht darüber hab ich schon, aber es gibt einige Gründe, warum ich das nicht will. Ich müsste z. B. meine Karriere als Musikerin hinschmeißen und Julie macht das so gut. Egal, es sind auch schließlich meine Kinder.

Wie habt ihr euch eigentlich den Vater ausgeguckt?

Es ist ein Freund von uns, und beide Kinder sind vom selben Vater. Es ist auf alle Fälle nicht unser Freund Brad Pitt, wie so oft gemunkelt wurde!

Hat dieser anonyme Vater auch seinen Part als Erziehungsberechtigter?

Bailey kennt ihn, und auch Beckett wird ihn sehen können, so oft er will. Sie werden lernen, dass man zwar einen biologischen Vater braucht, um existieren zu können, es aber völlig normal ist, mit zwei Müttern aufzuwachsen.

Du bist Vorkämpferin für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Beziehungen. Was muss sich ändern?

Ich wünschte, es gäbe einen anderen Begriff für „Hochzeit“, denn wohl jeder erzittert angesichts der religiösen Überfrachtung besagter Zeremonie. Aber wenn zwei Menschen ihr Leben gemeinsam verbringen wollen, dann muss es erlaubt sein, eine legale Lebensgemeinschaft einzugehen – mit allen Rechten und Pflichten einer Ehe. Ich bin ein vollwertiger amerikanischer Bürger, gesetzestreu und zahle Steuern – ergo sollte ich doch die gleichen Rechte haben wie andere Bürger auch!

Neben deinen Aktivitäten hast du dich aber auch um deinen Job gekümmern. Warum heißt das neue Album ausgerechnet „Breakdown „, wo du doch eine so glückliche Zeit durchlebst?

Es ist ein Ausdruck für meine innere Reinigung – ich habe mich in den letzten zwei Jahren zu Hause auf das Wesentliche konzentriert. Back to the basics, sozusagen. Diese Zeit habe ich genutzt, um mich mit den Dingen auseinander zu setzen, die man so gerne verdrängt – z. B. die eigene Kindheit, die vielen Vertrauensbrüche oder das Gefühl, zu oft im Leben von irgend etwas oder irgend jemandem abhängig gewesen zu sein. Herausgekommen sind sehr persönliche, intensive Texte. Es gibt aber nur einen Song auf dem Album, den ich für meine Kinder geschrieben habe, „Truth Of The Heart“. Ich kann zwar über die Liebe und Beziehungen schreiben, aber nicht über die Liebe zu meinen Kindern.

Was ist aus eurem Projekt geworden, Janis Joplins Leben zu verfilmen?

Julie und ich hatten die Idee dazu, wir haben ein Skript geschrieben und Filmleute involviert. Julie wird den Film produzieren, aber ich werde leider nicht die Rolle von Janis übernehmen, denn das dauert mir alles viel zu lange. Keine Ahnung, wie in Hollywood überhaupt ein Film entsteht! Janis und ich haben ähnliche Erfahrungen gemacht – wir kommen beide aus einer kleinen Stadt, fühlten uns beide missverstanden, hatten beide Angst vor dem Alleinsein. Ich hatte es, als meine Karriere begann, aber wesentlich leichter, denn ich habe nicht ihren Weg eingeschlagen. Janis hat ein unglaublich destruktives Leben gelebt. Ich hingegen habe glücklicherweise sehr schnell kapiert, dass Drogen nicht der richtige Weg sind.

Du wirst in zwei Jahren 40 – machst du dir schon mal Gedanken darüber?

Ich will noch nicht darüber nachdenken. Ich bin psychisch und physisch besser in Form als ich es je war. Meine Erfahrungen möchte ich nicht missen. Als ich ein Kind war, da war 40 schon ziemlich alt… Heute jedoch beginnen die besten Jahre für die meisten mit 40! Ich möchte mindestens 90 Jahre alt werden…

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