Nicht bei der Sache: Miss Thompson trifft einen abwesenden Henry Rollins

Henry Rollins ist nicht bei der Sache, und Miss Thompson kann ihm da auch nicht helfen - aber immerhin gab's ein Foto und damit eine "G'schicht" vom gemeinsamen Abend auf der Ausstellung "Under The Big Black Sun" in L.A.

Samstag Nacht. Henry Rollins hatte nur einen kargen Tisch vor sich. Ein Computer stand drauf. Henry war heute zum Auflegen hier.  Eröffnung der MOCA Ausstellung  „Under The Big Black Sun – Californian Art von 1974 bis 1981“. Eine Lobpreisung kalifornischer Kunst.  Da passte Henry als Californian Punk sehr gut hin. Mich interessierte heute Nacht folgendes: Würde Henry die von mir so verehrte schwarze Brille tragen? Würde ich seine Arme sehen? Sogar anfassen können? Würde Henry noch über diesen typischen California-Oberkörper verfügen? Würde er besser sein, als der von Anthony Kiedis? Kiedis zeigt seinen Oberkörper immer noch in Stadien, aber Henry leider nicht.

Henry hatte sich ein altes „Dinosaur Jr“  Shirt angezogen. Gut, also schauten wir, was Henry da machte. Henry lief alle paar Minuten zu einer sehr großen Kaffeekanne, aus der er sich frischen Kaffee pumpte. Dann lief Henry wieder zurück und setze sich auf eine kleine Holzstufe. Dann stand Henry wieder auf und schaut eine Sekunde auf seinen Computer, und dann ging Henry wieder zur Kaffeepumpe. Sein Computer spielte ausgewählten Cali-Punkrock. Es gab nicht mal Wodka zu trinken. Es wollte nicht richtig losgehen.

Was machen wir? Sollten wir ihn fragen, ob er THE CLASH spielt? Dann würde er vielleicht die Contenance verlieren.  THE CLASH, das hatte ich mal von alten Punks gelernt, gelten unter echten und alten Punks mit starken Richtlinien als das Letzte. „Nee, das machen wir nicht!“, sagte Fotograf Andreas Mühe. Gut, was dann?  In der Zwischenzeit hatte Henry begonnen, mit seinen Fans zu reden. Er signierte Platten. Er unterschrieb auf T-Shirts, und er segnete den Bauch einer Schwangeren. Er sagte der Schwangeren, er bete, dass ihr Kind nie ins Gefängnis kommt. Wenn das so ist, könnten wir auch zu Henry gehen und eventuell um die heilige Kommunion bitten.

Henry hatte gerade wieder Kaffeepause auf der Holzstufe.

Ich fragte sehr höflich, ob ich, bzw. Andreas, ein Foto machen könnte. Schließlich hatte ich von einem Chefredakteur gelernt: Wenn man das Foto hat, dann hat man eine „G’schicht“. (Es stimmt.) Henry stand auf. Seine Augen waren nur halb geöffnet. Er sagt nur „Ja“. Zu dem Foto. Wie ein Vollprofi legte Henry den Arm um meine Hüfte, um das Bild richtig gut werden zu lassen. Henry war allerdings nicht da. Er war hinter seinen Augen verschwunden. Ich wollte Henry fragen, ob er sein T-Shirt ausziehen würde. Aber niemand war zu Hause bei Henry. Klingeln wollte ich nicht.  Vielleicht war Henry im Kopf mit Literatur beschäftigt. Er spricht jetzt viel von Scott F. Fitzgerald so. Und warum man „The Great Gatsby“ einmal im Jahr lesen muss. Und warum eine Seite von Marcel Proust mehr wert ist, als drei Seiten von anderen Schriftstellern. Henry, kannst Du bitte noch mal so sein, wie in „LIAR“? Ich schaute Henry mit süßen Teufelsaugen an.  (Mit Punkten in der Iris.) Aber er war einfach nicht aufzutreiben. Ich versuch es noch mal. Bald.

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