Nick Cave und die Bad Seeds verlaufen sich im Echo-Labyrinth einer Megahalle – bis die alten Hits kommen

MÜNCHEN, ZENITH. Die junge Frau da hinten erzählt, ihr erstes Konzert sei Dieter Thomas Kuhn gewesen, und als keiner lacht, sagt sie zur Entschuldigung: „Da war ich noch ein kleines Mädchen.“ Sie war höchstens geboren, als Nick Cave zum letzten Mal mit schwerem schwarzen Kopfbusch und weißgeränderten Nasenlöchern auf eine Bühne ging; das ist unglaublich lang her, und trotzdem erwischt man sich halt wieder bei dem Gedanken: Ob Cave wohl geglaubt hätte, dass er später ein solches Publikum anziehen würde, das seine Drogenanspielungen nicht versteht, das die Mörder- und Krankengeschichten als kleines Schauertheater genießt? Es ist kein Wunder, aber bei einem solchen Mega-Konzert in einer Halle, die für Vieh-Ausstellungen besser wäre, wundert man sich mal wieder. Man kann den Mantel gleich anlassen an diesem unwirtlichen Ort. Nick Cave lässt den Leuten ja ihre Würde, fordert nicht zum Mittanzen oder Krachmachen oder Haareverschwitzen auf. Mercury Rev passen als Vorgruppe großartig. Sie wärmen die Luft an, Jonathan Donahue, der kleine König Arthur, singt hoch und bewegt sich wie ein Ballett-Tänzer, reckt die Hemdsärmelchen, seine Musiker tragen Rockpalast-artige Pferdeschwänze und Sonnenbrillen.

Cave lässt sich gleich von einer dummen Bemerkung aus der ersten Reihe provozieren, antwortet sehr genervt: „Blixa has left the band. That was years ago.“ Der spielt heute selbst im Palast der Republik, und wer Blixa nicht sowieso doof findet, vermisst ihn ein wenig, wenn auch nur als Bühneninventar und Störenfried. Es geht mit Songs vom neuen Album los, „Messiah Ward“, „Let The Beils Ring“ (Johnny Cash gewidmet), „Supernaturally“ mit dem donnernden, ‚Hey! Ho!“-Refrain. Und was an den Bad Seeds schon auf Platte schwer ist, das wird unter den dunklen Scheinwerfern und im dumpfen Echo-Labyrinth der „Zenidi“-Halle zur Tonnenlast. Der Chor übertönt Cave, der extrovertiert klatscht und Marionetten-Tänze aufführt. Als er sich zum ruhigen „Babe, You Turn Me On“ demonstrativ auf den Barhocker setzt, wirkt das wie Robbie Williams‘ Zigarettenpause in der Albert-Hall-Gala.

Beim Glockenschlag am Anfang von „Red Right Hand“, der den gemischten Teil des Abends einbimmelt, fliegt ein erleichtertes Seufzen durchs Publikum. Wie immet; wenn die alten Sachen kommen, aber auch, weil der frühe Cave mit dem Dröhnen besser gehaushaltet hat, „Deanna“, „The Weeping Song“, „The Mercy Seat“ veranschaulicht das Dilemma, das ja nur zum Teil ein tontechnisches ist: Cave startet den Song zur Gitarre, ein gefrierender Moment. Dann die Schwellung, die Burundi-Trommeln, der Chor, Geiger Ellis zuckt und schnippelt, bis es dumpf und ohrenbetäubend Wumm! macht. Und dann ist das Konzert vorbei.

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