Norman Whitfield

Sein Name steht im Kleingedruckten, aber Whitfield (im Foto rechts, mit Willie Hutch) ist einer der wichtigsten Ingenieure am Fließband der Hitfabrik. Deren Gründer Berry Gordy organisiert die Produktion von Hits nach dem Vorbild der Detroiter Autofabriken. Einmal gefundene Erfolgsformeln werden endlos reproduziert. Modell A: fröhlicher Uptempo-Songüber das Glück der Liebe, maximal drei Minuten. Modell B: traurige Ballade über das Unglück der Liebe, maximal drei Minuten. Mit diesem Patent wird Motown zum erfolgreichsten Hitlieferanten der Sechziger. Oft hat Norman Whitfield die Finger im Spiel, als Komponist und Produzent. Doch mit den Siebzigern sieht Motown plötzlich alt aus. Leute wie Hendrix, Sly Stone und Curtis Mayfield treiben Rock, Funk und Soul an neue Grenzen. Während Patriarch Gordy stur an seinem Patent festhält, betreibt Whitfield die Extension des 3-Minuten-Hit-Formats.

Inspiriert von Sly Stone und George Clintons Funk-Jams überträgt Whitfield seine Disco antizipierende, vom Gospel befeuerte Vision von afropsychedelischem Funk auf die braven Temptations. Die Songs werden länger, die Arrangements komplexer, die Gitarren verzerrter, die Chöre gespenstischer, die Texte politischer. Die Temptations jammern, dass der Produzent mehr Wert auf die Instrumentierung als auf ihre Sangeskunst legt. Dass sie über Krieg, Umweltzerstörung und Familienkrisen singen müssen. Dabei überzeugt Whitfields Extensions-Programm sogar den konservativen Motown-Boss: Es verkauft sich. 1972 steht „Papa Was A Rolling Stone“ für den Paradigmenwechsel. Die extended Version dauert fünfmal so lang wie die normale Motown-Single. Zum Dank für seine Rundereneuerung der Marke Motown kriegt Whitfield ein Spielzeug. Mit Undisputed Truth kann er seine Träume vom entgrenzten Funk realisieren: prachtvolle Intros, ausgiebige Call & Response-Passagen, repetitive Rhythmen, der Himmel voller Geigen, – eine frühe Blaupause von House. Am 18. September verstarb Whitfield im Alter von 68 Jahren.

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