Nur nicht wie Travis klingen

Was derzeit Englands Charts bestimmt, ist Six By Seven zu lahm. Ihre Antwort lautet: viel Sex Pistols

Unter Druck, mit der Deadline im Nacken, arbeitet es sich für manche Mitmenschen seltsamerweise einfach besser. Als Six By Seven für ihr zweites Album „The Closer You Get“ ins Studio gingen, war noch kein einziges Lied geschrieben. In nur neun Wochen gelang es dem Quintett aus Nottingham dann aber, zwölf Songs zu komponieren, aufzunehmen, gleichzeitig viel Bier zu trinken und noch mehr Punkrock zu hören. Letzteres mag wohl auch der Grund dafür sein, warum „The Closer You Get“ härter als das Debüt ausgefallen ist.

Eigentlich sollte es eine Mischung aus „Nerer Mind The Bollocks“ und „Life’s Rich Pageant“ werden. Zwischendurch befürchtete Sänger Chris Olley zwar, es sei .jetzt eher eine Mischung aus Jethro Tüll und Genesis“, aber das ist natürlich noch viel weniger wahr. Gut, der Pop-Appeal von R.E.M. fehlt den Briten zwar, aber dass die Sex Pistols bei etlichen Songs Pate standen, lässt sich hingegen kaum leugnen.

Olley ist es egaL ob einige Ideen „bei anderen Gruppen ausgeliehen“ sind.

Hauptsache, seine Band klingt nicht wie Travis: „Wie die ihre Gitarren spielen, das kotzt mich einfach an. Das ist für Mums und Dads und Kinder und Großeltern. Alle kommen zusammen, um Travis zu hören. Ekel erregend.“ Dann nuschelt er entrüstet noch etwas von „lahm“ und „konservativ“ – und keinem diesbezüglichen Einspruch seitens des Interviewers wird stattgegeben. Olley weist stattdessen auf seinen Song „Eat Junk Become Junk“ hin und bleibt dabei: „Wenn du Travis anhörst, dann wirst du zur Matschbirne. Wenn du daheim die Stereophonics dudelst, dann wirst du zum Idioten. Oder – und für mich das definitve Minimum – zum Immobilienmakler.“

Was für Six By Seven sicher das Schlimmste wäre. „Normale Scheiß-Jobs sind Zeitverschwendung“, grunzt Olley und wirkt ein bisschen wie ein trotziger Teenager, der nicht einsieht, warum er Latein-Vbkabeln lernen soll. Und so fühlt er sich auch oft. „Wir sind immer noch genau dieselben wie mit 16. Okay, mit 16 war ich total gestört, und jetzt gehe ich vielleicht etwas mehr aus mir heraus, aber ansonsten sehe ich gar keinen Unterschied.“

Von sich selbst gibt Chris Olley nicht so gerne Privates preis. Nur im Song „One Easy Ship Away“ wagt er es, persönlich zu werden. An Weihnachten habe er den Text geschrieben, als ihm wieder einmal Selbstmordgedanken durch den Kopf gingen. Olleys Mutter lebt in Wesel, der Vater in Unna, die Schwester in Italien „und all meine Freunde sind auch dauernd weg“. Dass der Track etwas Besonderes ist, war ihm stante pede klar, aber nun glaubt er nicht mehr an einen Hit. „Die verdammte Band hat ihn ruiniert. Das war ein Scott-Walker-Klassiker, bis ihn Six By Seven in die Fingerbekamen.“

Und damit ist Olley auch schon bei seinem nächsten Thema: Allzu lange will er es mit dieser Band nicht durchhalten. „Mehr als etwa fünf Alben machen wir bestimmt nicht. Dann erfüllen wir uns endlich all unsere anderen Träume. Ich zum Beispiel will dann mal ein Restaurant eröffnen.“

Dabei können die Arbeiten an „The Closer You Get“ gar nicht mal 5000 unangenehm gewesen sein. Dem Drummer Chris Davis jedenfalls kommen diesbezüglich nur durchweg positive Erinnerungen an jene Zeiten in den Sinn: „Das Sofa im Studio war wirklich bequem. Auch die Stühle waren viel besser als die in der Bude, in der wir unser Debüt aufgenommen haben. Nein, dieses Album war in meinen Augen schon fast wie ein Spaziergang.“

Und man beginnt zu verstehen, warum es Olley mit dieser „verdammten Band“ nicht mehr allzu lange durchhalten will.

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