Oya-Festival – Oslo, Middelalderparken

Wie die Norweger beim Oya-Festival den heimischen Bands zujubeln, ist für Außenstehende niedlich. Denn die wollen bloß Velvet Revolver und die Lemonheads

Wir doofen Deutschen waren natürlich nur wegen der weltweit wichtigen Leute da, wegen Evan Dando, den Streets, Mark Lanegan. Das 0ya-Festival in Oslo, Sommercamp der kleinen, aufrichtigen norwegischen Musikszene, hat bessere, norwegischere Zuschauer verdient, die 10 000, die an jedem der drei Tage auf das zwischen Hafen und Güterbahnhof geknuffte Feldchen kamen. Im Glitzersee, an dem man mehrere Bühnen gleichzeitig hören konnte, tauften junge Hippies ihre Kleinkinder, tags von der Sonne lustig versengt, nachts etwas schüchterner beleuchtet von den Reklamebuchstaben hoher Hotels und des Stammhauses der Zeitung „Aftenposten“. Nicht-Zahlende winkten von der nahen Stadtautobahn herab, einer saß am Abend auf dem Hochhausdach und bekam einen Trinkspruch von Streets-Sänger Mike Skinner: „Aftenpoften – it’s a beer, isn’t it?“

Diese netten, genügsamen Norweger, denen kein böses Wort über sechs-Euro-Biere und das absolute Kneipen-Rauchverbot entrutscht: Was würden sie zu „Rock im Westerwald“ sagen? Sie haben alles auch ohne fremde Hilfe, eine Schreckgruppe namens We, die im Pharaonen-Look auftrat, einen Bryan Adams namens Johndoe, Singer-Songwriter genug für mehrere Jahre Eiszeitbunker, den obligatorischen Elektronik-Nerd Kim Hiorthoy (der übrigens richtig gut war) und die Glam-Band Silver, deren Sänger wie ein Iggy-Pop-Video aussah, obwohl sie wie die Toten Hosen klangen. Björn von Big Dipper Records erzählte so stolz von seiner Band Minor Majority: dass sie am letzten Festivaltag fiir 20 000 verkaufte Alben eine goldene Schallplatte kriegen würde und er alles versuche, um Evan Dando dazu zu bewegen, die zu überreichen. Minor Majority spielten auf der großen Bühne, Fußgängerzonen-Tindersticks am Hochsommer-Nachmittag, und wirklich: Die Mädchen machten Tänze auf den Picknickdecken, bis ganz hinten stand das Publikum aufrecht und dankbar. Am Ende überreichten sich Minor Majority die goldene Schallplatte einfach selbst.

Als ernst gemeinte Exportmesse war das alles nichts, bis zum nächsten Versuch auf der PopKomm in Berlin. The Soundtrack Of Our Lives sind zwar aus Göteborg, aber Norweger verstehen Schwedisch. Ein fantastischer, lustiger Auftritt mit Seidenschals und doppelhalsigen Gitarren, Sänger Ebbott setzte sich das Tamburin als Krone auf und tat so, als ob er sich mit dem Mikrofon rasieren würde. The Streets verteilten Brandy in Plastikbechern an die erste Reihe, Mike Skinner war heiser, nicht betrunken und redselig.

Die Höhepunkte, die die Freibiertrinker aus aller Welt herbeigesehnt hatten, halfen nicht immer. Die verlebten Velvet Revolver am Ende eines IndiePop-Tages, das war bis zum dritten Lied ein guter Effekt und spätestens dann in seiner realitätsverlorenen, verbissenen Ernsthaftigkeit kaum zu ertragen. Mark Lanegan spielte nur sechs oder sieben übel gelaunte Stücke, weil es Probleme an der Grenze gegeben hatte, Spaceman Pierce von Spiritualized wirkte im tödlichen Tageslicht wie ein griesgrämiger Opa.

Sonnenkönig war Evan Dando, der kurz nach der Goldverleihung erschien, offenbar wie ein Baby ausgeschlafen war und nur Schönes im Kopf hatte. Eingestöpselt, gleich „The Great Big No“, wie am Anfang von „Come On Feel The Lemonheads“. Und es waren die Lemonheads, erster europäischer Auftritt nach der Wiedervereinigung, die freilich nur eine Umbenennung von Dandos Solo-Act ist: Niemand hatte die anderen zwei Kerle je zuvor gesehen. Wenn sein Gesicht strahlte, hüpften die Leute höher. Als er einen Schritt zurücktrat, übernahmen sie den Refrain von „Big Gay Heart“. Das Gefühl, von dem die Euroboys (die norwegischen Crosby, Stills, Nash & Young!) am Ende des letzten 0ya-Tages sangen: „Hitching a ride down a one way street, it’s the same wherever you go.“ Hinter der Autobahn verschwand die Sonne.

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