Ozean der kalten Liebe

Mit seiner Band His Infernal Majesty, kurz HIM, liefert der Finne Ville Valo den morbiden Phantasien pubertierender Gymnasiasten reichlich Nährstoff

Da stand er, wie hochgespuckt aus der Unterwelt. Kraulte mit links den Satan und rauchte Kette mit rechts. Kam in Helsinki zu Boden und gründete die Rockband His Infernal Majesty, kurz HIM.

Ville Valo, der thin redduke, der von der Fahrt auf dem Ozean der kalten Liebe singt, niemals über das simple Ficken. Die Menschen waren entzückt und kauften seine Platten. Und jetzt sehen wir ihn, wie er in London Richtung Astoria-Theater eilt, wo HIM für Paradise Lost das Konzert eröffnen sollen. Die schwarzen Augenringe hat er sich schon gemalt: „Das mache ich nur, wenn ich mich besonders schwul fühle“, raunt Ville Valo feixend. Der Astoria-Pförtner gibt entsprechend Auskunft: „It’s HIM. Or radier Her.“

Als Ville Valo ein kleiner Junge war, haben seine Eltern ihm eingetrichtert, dass er die Stones lieben und die Beatles hassen solle. Gedichte hasst er noch heute. Seine Poetik hat er in einem selbstgemalten Symbol zusammengefasst, einem Zwitter aus Herz und Pentagramm. Den hat er sich unter den Bauchnabel tätowieren lassen.

Derweil rätseln in Internet-Foren die Mädchen darüber, für wen oder was der Buchstabe S steht, der sich um Valos linke Brustwarze schlängelt. Vielen von ihnen geht’s so wie der Schauspielschülerin aus Altötting, die schon im Astoria wartet: „Er singt die Lieder, die schon immer in meinem Kopf waren.“ In Finnland haben sie ihn bereits bezichtigt, er würde irre Kirchen-Feuerteufel inspirieren mit seinen Texten. Dabei hat Valo eh genug damit zu tun, sich von den morbiden Gymnasiasten-Phantasien abzugrenzen, die der Hit ,Join Me (In Death)“ heraufbeschwor:

„Über Selbstmord hat doch jeder mal nachgedacht. Das ist eine der pubertären Erfahrungen, die sich bis in das Erwachsenenalter durchziehen. ,Shiny Happy People‘ von R.E.M. ist die andere Seite.“

Auf der Victoria-Bühne fressen sich HIM durch wie eine Metallsäge, und so lange er keinen Video-Regisseur im Nacken verspürt, hält Valo das Pathos eher flach. Trotzdem schwimmt seine grabestiefe Stimme hoch über dem Lärm, und man kann es jetzt tatsächlich spüren, dieses sonderbare Versprechen, dass weit hinter den Worten eine tiefe, dunkle Wahrheit lauert. „Musik muss an die primitiven Begierden appellieren, das bewirkt Katharsis, darum geht’s“, sagt Valo. Und bevor man dem Knirps übers Maul fahren kann, merkt man, dass er offenbar genau weiß, was er da tut mit seiner Band.

Den zwei MTV-Startreff-Gewinnerinnen, die sauer sind, weil die Band nach dem Gig „arrogant“ war, gibt er liebe Worte mit: „Bye bye, and always remember to be gentle.“ – Der Blixa Bargeld der Schulhöfe weiß, was Menschen brauchen.

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