Radiohead: OK Paranoia

Radiohead dekonstruieren die Rockmusik Herbst 1996

„Es sollte ein richtig flottes Album mit einer Menge Samples werden“, beschreibt Radiohead-Sänger Thom Yorke, wie er sich ihr drittes Album „OK Computer“ Ursprunglich vorstellte. „Doch dann kam alles anders – die Samples waren zu langsam, und ich bekam die optimistischen Songs nicht hin.“

Was stattdessen kam – dramatisch verzerrte Gitarren und Prä-Millenniums-Blues, das meiste davon aufgenommen im Herbst 1996 in St. Catherine’s Court, einem Landsitz aus dem 15. Jahrhundert im Süden Englands – war, in Yorkes Worten, „alles ein bisschen… vergiftet.“

Und es war ein kreatives Meisterwerk. Radioheads Porträt einer bröckelnden Weltordnung stand in England ganz oben in den Charts und schaffte es in Amerika als ihr erstes Album in die Top 30. „OK Computer“ machte aus Yorke den neuen Angry Young Man des Rock. „Eines Abends schwebte eine dunkle Wolke über mir“, erzählt er. „deshalb schloss ich mich in meinem Zimmer ein und betrank mich.“ Unterdessen arbeiteten die Gitarristen Ed O’Brien und Jonny Greenwood, Jonnys Bass spielender Bruder Colin und Drummer Phil Selway mit Toningenieur und Coproduzent Nigel Godrich an den Instrumentalparts zu „Paranoid Android“. Als Yorke am nächsten Tag erwachte, war er von dem Ergebnis hingerissen. „Ich kriegte den Gesang gleich beim ersten Take hin“, sagt er, „weil mich diese Energie so ankurbelte.“

Mithilfe ihres mobilen Studios nahmen Radiohead die basic tracks in einem riesigen Ballsaal auf- und viel von Yorkes Gesang war, wie bei „Paranoid Android“, schon nach dem ersten Versuch im Kasten. Die Zeile „Kicking, squealing Gucci little piggy“ kam ihm in einer schlaflosen Nacht in L.A., nachdem er beobachtet hatte, wie eine Frau in einer Bar ausnippte, weil ihr jemand einen Drink aufs Kleid gekippt hatte: „Diese Frau hatte einen Blick drauf, so was hatte ich noch nie gesehen… Sie wurde zur Furie.“

„Um Computer geht es eigentlich gar nicht“, fügt er hinzu. „Es waren nur die Geräusche, von Computern und Fernsehern, die fast anderthalb Jahre in meinem Kopf herumgespukt hatten.“ Und er weiß genau, an welchem Punkt sich dieses Chaos in etwas Besonderes und Dauerhaftes verwandelte: „Als wir Airbag‘ abmischten, spielte Nigel es richtig laut, und ich dachte: ‚Das hätten wir uns nie träumen lassen, dass wir so etwas schaffen.‘ Ich war so glücklich, dass ich meine Freundin anrief, nur um ihr zu sagen: „Wow, wir haben etwas richtig, richtig Tolles hingekriegt.“

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