Rare Trax Vol. 30 – Nailed to the dancefloor

Wenn die Nächte länger werden, werden es auch die Stücke der "Rare Tracks". Die meisten von ihnen stammen in diesem Monat nämlich von 12'inch Maxis. "Nailed To The Dancefloor" bringt Sie in den richtigen Groove. Disco und Verwandtes von den späten 70ern bis heute machen die Nacht zum Tag.

Schon Anfang der 70er orientierten sich vor allem Spielarten schwarzer Musik wie zum Beispiel Funk und Soul an dem, was man groove nannte, also einem sich fortwährend wiederholenden rhythmischen Zyklus, der im wahrsten Sinne des Wortes bewegt. DJs suchten sich daher vor allem Soul- und Funkplatten mit ausgeprägtem Groove, um die Clubbesucher zum Tanzen zu bringen. Bald wurden auch Platten gezielt für ihre Bedürfnisse produziert. Der Beat trat in den Vordergrund und wurde sogar wichtiger als der Sänger, doch Eingängigkeit und Radiotauglichkeit mussten immer gewährleistet sein, um die Tracks nicht nur Club-, sondern auch Charts-kompatibel zu machen. Der neue Stil, der so entstand, wurde nach dem Ort benannt, an dem diese Musik gespielt wurde: Disco. Das wichtigste Format für das neue Genre war die 12-inch-Maxi-Single, auf der sich aufgrund ihrer Länge der Groove der Stücke voll entfalten konnte. Die Beats pro Minute waren auf der Maxi vermerkt, so dass die DJs die Tracks ohne Bruch ineinandermischen konnten. Die Stars des neuen Genres waren weniger die Künstler als vielmehr die Produzenten, die die Tracks auf Tanzbarkeit hin konstruierten und meist auch schrieben. Anfang der 80er Jahre ging der reine Disco-Sound zwar zurück, fand aber seine Fortsetzung in anderen tanzorientierten Genres wie HipHop, House, Electronica und Techno.

Auch Kurtis Khaleel aus Jamaika, den es in den späten 70ern nach New York, in die Geburtsstadt des Disco zog, hat sich hier bedient. Er arbeitete unter dem Namen MANTRO-NIX an den turntubles Samples und Synthesizer in seinen stark rhythmisierten HipHop ein. Das dritte Mantronix-Album und Major-Label-Debüt „In Full Effect“ ist weniger aggressiv und somit markt-kompatibler als die Alben zuvor, doch auf dem besten Stück, „Do You Like… Mantronix?“, kann man frühere Großtaten mehr als nur erahnen. „In Full Effect“ war das letzte Mantronix-Album mit dem Rapper MC Tee.

Hamilton BOHANNON war in den 60ern unter anderem Schlagzeuger bei Stevie Wonder, avancierte dann bei Motown zum Bandleader und Arrangeur, bevor er 1972 ausstieg und als Produzent seinen aggressiv-rhythmischen Stil weiter perfektionierte. Mit dem Resultat, dass sein Material von Anfang an in den Clubs weit besser funktionierte als in den Charts. Das Solo-Album „Töo Hot To Hold“ von 1979, von dem wir liier „The Groove Machine“ hören, war praktisch von Beginn an vergriffen. Was den Hörgenuss aber nicht schmälern kann. Rare groore.

Der britische Produzent und Remixer Dave Lee nennt sich meist Joey Negro. Seine Mischung aus Disco und House bringt er aber unter wechselnden Pseudonymen heraus. Seine erste Veröffentlichung unter dem Namen Joey Negro stammt aus dem Jahr 1991, davor hatte er schon einige Acts produziert. Sein Remix des SESSOMATO-Stücks“Moody“ gibt’s auf der gleichnamigen Single aus dem Jahr 2001.

Vincent Montana spielte in den 50ern als Vibrafonist für Jazzlegenden wie Charlie Parker, Sarah Vaughn, Buddy DeFranco, Stan Getz, Clifford Brown und Red Garland. In den 70ern und 80ern arbeitete er als Komponist, Arrangeur, Vibrafonist und Bandleader unter anderem für MFSB, die Hausband von Philadelphia International Records, gründete mit dem Salsoul Orchestra das erste Disco-Orchester überhaupt, dessen Einfluss bis in den House und Disco-beinflusste Electronica der 90er reichte. 1978 begann er unter dem Namen MONTANA Soloalben aufzunehmen. „Heavy Vibes“ von 2002 ist die erste Anthologie seines einflussreichen Sounds.

Die Single „An American Poem“ aus dem Jahr 2001 von THOSE GUYS zeigt noch einmal deutlich die enge Verzahnung zwischen Disco und HipHop. Beginnt das Stück als Dancetrack, fuhrt die Slam Poetry von Ras Baraks direkt in die Identitätspolitiken des Hip-Hop. Das Saxofon lässt eine weitere genuin schwarze amerikanische Musikform anklingen: den Jazz.

Die New Yorker Formatton LIQUID LIQUID veröffentlichte zwischen 1981 und 1983 drei wegweisende EPs. „Cavern“ von der 81er „Successive Reflexes“-EP beschränkt sich mit seinem minimalistischen Funk ganz auf die Wurzeln des Disco: Das ganze Stück wird ausschließlich von Rhythmus-Instrumenten getragen. Bekannt wurde „Cavern“ als der Basistrack für Grandmaster Flashs Hit „White Lines (Don’t Do It)“.

Noch ein Grenzgänger: Synthkpopmeets Disco. THE HOOD bringen den Disco-Sound wieder dorthin, woher er ursprünglich einmal kam: in die New Yorker Schwulendubs und -discos, in denen ihr „Tough Guys Don’tDance“ von dem 87er Album „Cooler Than Thou“ ein wahrer Dancefloor-Feger gewesen sein mag.

Saxofbnist und Flötist Dana Vlcek spielte Anfang der 80er Jahre mit John Luries Lounge Lizards auf ihrer ersten Europatour. Mit seiner Band KONK veröffentlichte er 1983 und 1984 die beiden einflussreichen EPs „Your Life“ und „Konk Party“, die gemeinhin als Vorlage für den Acid Jazz-Sound gelten. Das Album ,W, von dem wir auf der „RareTrax“ das Stück „Baby Dee“ hören, fällt in die selbe Zeit. Später arbeitete Vlcek als Produzent und Toningenieur unter anderem für Deee-Lite und Run-D.M.C.

und gründete die Jazzcombo Abstract Truth.

Grafiker, Produzent und Remixer (unter anderem für U2 und Massive Attack) Trevor Jackson alias Underdog alias Skull rief 2001 das Kollektiv PLAYGROUP ins Leben – und genau das ist es: eine Spielwiese. Das selbstbetitelte Debüt war eine Mischung aus Funk, Disco, Hip-Hop, Dub, New Wave sowie Elektronica und konnte mit illustren Gästen aufwarten. So gibt’s auf dem Album unter anderem Beiträge von Edwyn Collins, Roddy Frame, Rowetta von den Happy Mondays und Bikini Kills Kathleen Hanna zu hören. Reggae-Veteran Shinehead sorgt für Dub-Sound und Zongamin im Remix für eine Spur Funk.

„The Boogie Train“ ist unverkennbar der zweite Track vom Ex-Stevie-Wbnder-Schlagzeuger, Ex-Motown-Bandleader und rhythm king Hamilton BOHANNON auf dieser „ßm; Tmx“. Wieder gibt’s Beats, weiblichen Soul-Gesang und funky Gitarren. Auch dieses Stück stammt übrigens vom äußerst raren ,lbo Hot To Hold“Album aus dem Jahr 1979.

Von MANTRONIX gibt es dieses Mal ebenfalls zwei Stücke. „Get Stupid“ stammt von dem rauen, epochalen 85er Debüt „Mantronix: The Album“. Die futuristische Produktion des Albums war damals meilenweit entfernt vom Rest des New Yorker HipHop der Zeit, wenngleich MC Tees Stil zumindest zu den Eastcoast-Rappern wie Run-D.M.C. und LL Cool J gewisse Parallelen aufwies. Trotzdem ist „Mantronix: The Album“ weitaus näher an Dance und Electro Funk als am Hip Hop jener Tage. JBe Stupid“ findet sich auch auf der hervorragenden Mantronix-Anthologie „The Best Of Mantronix 1985-1999“, die allerdings bisher nur in Großbritannien erschienen ist DADDYLONGLEGS ist das gemeinsame Projekt von Ex-Skylab-Mitglied, Geburtshelfer des TripHop und Produzent Howie B, der schon mit Björk, Tricky, U2 und Soul II Soul zusammengearbeitet hat und seinen charakteristischen Sound auch auf einigen Singles und Soloalben festgehalten hat, sowie dem Gitarristen und Synthesizer-Magier Jeremy Shaw, der seinerseits bereits mit Everything But The Girl, Robbie Robertson und U2s Adam Clayton gearbeitet hat. Gleichzeitig ist er ein Teil des Ambient-Duos Naked Funk. Daddylonglegs‘ bislang einziges Album, „Horses“ von 1999, hat seinen Titel wohl vom galoppierenden Rhythmus, der die zehn Electro Funk-Stücke durchzieht Den Gesang steuerte übrigens Howie Bs langjähriger Mitarbeiter Will O’Donovan bei.

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