Reeperbahn Festival 2022: Die Eröffnung am Mittwoch – „Ich wünsch euch ein geiles Reeperbahn Festival!“

Pop in Zeiten von Krieg und Pandemie: Am Mittwochabend wurde das Reeperbahn Festival eröffnet – mit einem Überraschungsgast

„Hier hat jeder Mensch das Recht, seine Kunst zu zeigen und sich auszudrücken. So sollte es sein.“ Ein Satz, der selbstverständlich erscheint. Hört man ihn von Natalia Klitschko, gewinnt er Gewicht. Sie ist die (in freundschaftlicher Trennung lebende) Ehefrau von Vitali, die Noch-Ehefrau des Bürgermeisters von Kiew, und sie ist Sängerin. Die Bedeutung von Musik in Zeiten des Krieges, die Bedeutung des Krieges für die Musik, kaum jemand weiß gerade so sehr darum wie Klitschko. Sie betont, wie besonders eine Veranstaltung wie das Reeperbahn Festival ist, eine große Feier der Kunst und des Ausdrucks, ein internationales Zusammentreffen, mit Hunderten Konzerten und Konferenzen, Lesungen und Screenings.

Ein Zeichen für Frieden und Freiheit

Sie hat die längste Redezeit bekommen bei dieser Eröffnung des Festivals, die wieder mit hohen Produktionswerten und einer aufwendigen Bühnenshow im Stage Operettenhaus aufwartet. Natürlich gibt es Musik, viel Musik, von der ukrainischen Rapperin Alyona Alyona zum Beispiel, von der britischen Pop-Sängerin Ellie Goulding, von der jungen Hamburgerin Zoe Wees. Aber an diesem Mittwochabend geht es immer wieder um den Krieg: Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister, spricht in seiner einleitenden Rede davon, mit dem Festival ein Zeichen für Frieden und Freiheit setzen zu wollen; Amy Gutmann, die US-Botschafterin, solidarisiert sich amerikanisch-enthusiasitisch mit der Ukraine („Let’s give it up for Ukraine!“) und Festivalleiter Alexander Schulz weist auf die ganz praktischen Herausforderungen hin, die der Krieg in der Ukraine für die Musikwirtschaft erzeugt – denn steigende Energiekosten stellen Veranstalter*innen wie Künstler*innen vor riesige Schwierigkeiten.

Es ist also klar, dass die Bedeutung des Reeperbahn Festivals gerade in seiner Funktion als Plattform liegt, als Möglichkeit für Künstler*innen aus aller Welt, sich zu zeigen und auszudrücken – und als Marktplatz und Ort der Vernetzung. Wie können wir die Musikindustrie besser gestalten? Gerechter, ökologischer, nachhaltiger? Oder, vor dem Hintergrund der Energiekriese: effizienter? Darüber wird die nächsten Tage zu sprechen sein.

„Ich habe euch jemanden mitgebracht!“

Die größte Überraschung kommt gegen Ende der Eröffnung. Jan Delay wird angekündigt, Leinwände fahren zur Seite und geben die Bühne frei. Delay: „Ich habe euch jemanden mitgebracht!“ – und es ist der Schutzpatron der Reeperbahn, der gute Geist der geilen Meile: Es ist Udo. Und die beiden spielen (was auch sonst?) „Reeperbahn“. „Ich wünsch euch ein geiles Reeperbahn Festival!“, raunt-ruft Udo und nimmt seine Sonnenbrille kurz ab.

Nach der Veranstaltung merke ich, dass ich meine Kopfhörer im Saal vergessen habe. Die Sicherheitsleute lotsen mich zum Hinterausgang, da werden verlorene Sachen gesammelt, vielleicht seien die Kopfhörer schon da. Ich spreche mit einer netten Frau vom Operettenhaus, die sogleich einen Funkruf an ihre Kolleg*innen startet und eine Suchaktion lostritt. Während ich da warte, tritt ein älterer Herr nach draußen. Er trägt Sonnenbrille und Hut und ist viel kleiner als ich dachte. Sein Wagen ist vorgefahren. Wir, die wir draußen stehen, bilden intuitiv ein Spalier. Udo schreitet hindurch, gibt mir einen Fistbump, schaut mir in die Augen.

Die nette Frau kommt wieder: keine Kopfhörer.

Am Ende der Nacht, zurück im Hotel, sehe ich sie auf dem Tisch. Ich hatte sie gar nicht mitgenommen. Wie schön, dass ich kurz dachte, ich hätte sie verloren.

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