Alternativen :: von Michael Ruff

Mit dem literarisch ergreifenden Country-Style von „Milk & Scissors“ konnten THE HANDSOME FAMILY 1995 keinen Blumentopf gewinnen. Das wird sich auch im Falle von „Invisible Hands“ (Scout/JRS) nicht ändern: Erstens ist das Mini-Album auf 1000 Vinyl-Exemplaren limitiert, zweitens sind die fünf neuen Songs, die ihren beliebten Schunkel-Hit „Tin-Foil“ hier begleiten, so zurückhaltend arrangiert, daß sie kaum großes Aufsehen erregen werden. Falsch wäre es aber, das Chicago-Trio in die Loser-Kiste zu werfen: Sie versuchen sich nicht an Dekonstruktionen oder Crossovei; sondern übersteigern das Metier mit extra viel Walzertakt und den hemmungslos lebensmüden Lyrics. Die dunkle Kehrseite also zu den „Country Greats“. 3,0

Seit 1968 haben Jean Smith (Gesang) und David Lester (Gitarre) unter dem Namen MECCA NORMAL etliche Platten im Duo eingespielt und sich damit einen treuen Fankreis geschaffen. Nun ist das Unfaßbare passiert: Die Band wurde zum Quartett erweitert, was auf „Who Shot Elvis?“(Matador/RrD) sogleich zu einen radikalen Stilwandel geführt hat Kurioserweise wirkt das neue Werk eher leiser und introvertierter als die vielen Vorgänger. Manche Songs klingen noch minimalistischer, doch an anderer Stelle („The Way Of Love“) entwickelt sich ein Spielfuß, der plötzlich an Crazy Horse erinnert. Auch der Gesang klingt etwas sanfter als gewohnt, was sich aber auf die radikal gebliebenen Texte nicht ausgewirkt hat. Experiment gelungen. 3,0

Noch eine markante Frauenstimme: Kate Wright, Sängerin von MOVIETONE, kommt aus dem englischen Bristol, was bekanntlich ein Vorort von Portishead ist. Auch ihr Gesang kämpft mit schwerem Trauerflor, aber zu verführerischen TripHop-Beats konnte sich die Band dennoch nicht entschließen. Ihr zweites Album „Day And Night“ (Domino/RTD) markiert die Abkehr von den atonalen Feedback-Klangbauten des Debüts: Diesmal erklingt eine disziplinierte Mischung aus Kammer-Jazz und Chanson, die manchmal zu effekthascherisch wirkt, aber für einsame Regennächte die passende Begleitung liefert. 3,5

Weiter im Herbst: Eingeweihten ist ARCHER PREWITT durch sein Wirken bei den Coctails bzw. The Sea And Cake wohlbekannt. „In The Sun“ (Carrot Top/Naptime) ist das erste Solo-Album des Multiinstmmentalisten und porträtiert ihn als gediegenen Songschreiber, frei von den Stilbrüchen und Experimenten seiner bisherigen Arbeiten. Das Ganze findet in leicht melancholischer Atmosphäre bei eher mitderem Tempo statt, nur gegen Ende der CD fällt das Schlagzeug weg und wird etwa von Streichern, Flöten und anderen Blasinstrumenten ersetzt. Etwas für Traditionalisten (sowie die Nick-Drake-Fans) also, zumal alles im alten Stil per Hand gespielt ist. 3,0

Endgültig als hoffnungsloser Fall profilieren sich nun THE GRIFTERS: Nicht daß Musik oder Musiker irgendwie schlecht wären, aber mit dem neuen Album sitzt das Memphis-Quartett einmal mehr zwischen allen (Gitarren-) Stühlen. Mal spielen sie die Blues-Butzemänner (wie in „Wicked Thing“), dann türmten sie mal schwammige Gitarren-Fronten auf („Hours“), spielen mit exotischen Folk-Melodien („You Be The Stranger“) und schrecken auch vor Schmuse-Pop („Sweetest Thing“) nicht zurück. „Full Blown Possession“(WEA) ist sowohl ein gelungener Drahtseilakt als auch eine sehr schöne und vielschichtige Platte – aber werden das die Käufer honorieren? Nö. 3,5

Lo-Fi? Da war doch was? Mit Beck oder Folk Implosion haben WHITE HASSLE allerdings nichts zu tun. „National Chain“ (Matador/-RTD) klingt vielmehr nach der Sorte Demos, die Lo-Fi-Pioniere wie Buddy Holly oder Hank Williams damals sofort aussortiert hätten. Es scheppert und krächzt an allen Enden, daß es eine wahre Freude ist Oder anders gesagt: Wenn Jonathan Richman auf seine alten Tage nochmal auf Acid gehen würde, dann wären gewisse Ausfälle vermutlich vollkommen unvermeidlich. Aber einige geniale Momente wohl glücklicherweise auch. 3,0

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