Alternativen von Michael Ruff

Sadcore? Was für ein schönes neues Kunstwort, erdacht von US-Kollegen, um schon gut eingeführten Bands wie American Music Gub oder Red House Painters endlich ihre eigene Schublade zu verschaffen. Das Angenehme: Zwischen diesen Moll-Rockern und depressiven Party-Löwen können nun auch Newcomer wie TIMCO ihr Zuhause finden. Auf den acht Songs ihres Debüts „Friction Tape (Virgin) hat Co-Produzent Mark Eitzel deutliche Spuren hinterlassen, doch die persönliche Note des SF-Trios liegt in seiner kaum verhohlenen Vorliebe für britische Melancholiker vom Schlage Echo & The Bunnymen. 2,0

Auch IDAHO aus Los Angeles, die man früher etwas hilflos als Kreuzung aus Nirvana und Codeine beschrieben hätte, werden sich gegen das neue Etikett kaum wehren können. Ihr Zweitling „This Way Out“ (Caroline/EFA) lebt von sanften Wechseln in der Lautstärke und Dynamik, scheint allerdings die in der neblig-trüben Dämmerung versteckten Geister gelegendich etwas zu emphatisch erfühlen zu wollen. 3,0

Moskitos sind recht unangenehme Viecher, vor deren Blutrünstigkeit man sich mit Netzen schützen muß. In diesem Sinne weckt das neue Werk des Hoboken-Trios MOSQUITO erstmal die falschen Assoziationen. Die bizarren, zartgebrochenen Miniaturen, die Steve Shelley (Sonic Youth), Tim Foljahn und Jad Fair (beide Half Japanese) auf „Cupid’s Fist“ (Konkurrel/EFA) versammelt haben, erinnern eher an einen Schwarm winziger Fruchtfliegen, die, auf der Suche nach kleinen Partikeln des süßen Lebens, noch jedes Netzwerk durchschlüpfen können. Hiermit verglichen wirken die Violent Femmes wie Led Zeppelin. 4,0

Scott Miller einen Songschreiber zu nennen, wäre untertrieben – er ist ein Meister der Harmonie- und Kompositionslehre, der schon in seiner früheren Band Game Theory hundert Jahre Pop-Geschichte zu hochintelligenten Kunstliedern verarbeitete, die trotz Abwesenheit von Strophe-Refrain-Schema immer noch leicht und poppig klangen. Erfolg war ihm damit nur im kleinen Kreise vergönnt, und das wird auch im Falle der LOUD FAMILY so bleiben: Die Songs von „The Tape Of Only Linda“ (Alias/ RTD) klingen rätselhaft und verschlüsselt, stellenweise so mutwillig schräg, daß man auf die Idee kommen könnte, der Meister hätte die Lust an weitreichender Kommunikation verloren. Auch seine Kommentare, die er unter jedem Song-Titel abdrucken ließ, erhellen nichts. Zwischen schwierigen Beatles und einfachem Zappa – schwer zugänglich, aber fulminant. 4,5

Auch die Texas Instruments gehören zu den Losern der vorletzten Gitarren-Generation. Band-Chef David Woody wurde mit Dylan, Costello, Cohen und Woody Gudirie verglichen, auch seine erstklassigen Begleiter hätten Referenzen dieser Größenordnung verdient. Wer R.E.M. nicht mehr hören kann, der sollte „Speed Of Light“ (Dr. Dream/IRS) ein wohlwollendes Ohr leihen. 3,5

Mitte der Achtziger wagten Neuseeland-Bands wie The Chills und The Clean den Sprung in internationale Gewässer. Nicht so BILL DIREEN: Er blieb daheim – als Boß der Bilders wie ab Literaturkritiker. Mit „Cut“ (Raffinond/RTD) erreicht uns nun nach langen Jahren wieder ein Lebenszeichen der Bilders: 18 karge, grob skizzierte Stücke und Ultrakurzgeschichten. 4,0

Als Krönung dieses munteren Reigens alternativer Mannesgestalten kommt KIM FOWLEY gerade recht. Angesichts der faszinierenden Wirkung, die Serienmörder auf das heutige Metropolen-Leben ausüben, darf sich der elder statesman der Trash-Kultur zufrieden am Bauch kratzen. Man nimmt ihm auch nicht übel, daß der musikalische Gehalt seines neuen Werks auf das Allernötigste beschränkt ist „Warm Culture“ (Fire Engine) ist trotzdem seine größte Tat seit „Bad News Front The Underwold“ (1981). Die gedämpft-nervöse Begleitung bildet den idealen Hintergrund für Fowleys durchtriebene Miniatur-Operetten. 4,0

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