Depeche Mode: „Memento Mori“ – die ROLLING-STONE-Kritik

Echte Hits? Schreiben Depeche Mode seit vielen Jahren nicht mehr. Aber diese Lieder haben eine Gravitas, die es früher nicht gab.

Früher waren ihre Songs so catchy, dass Depeche Mode nicht mit der Strophe, sondern gleich mit dem Refrain aufmachten, zum Beispiel „Strangelove“. Das konnten sonst nur die Beatles und Abba. Was ihnen mittlerweile aber wichtiger sein könnte als Ohrwürmer: die epische Erzählung, gespeist aus einem entbehrungsreichen Leben – Nahtod (Gahan), Tod (Fletcher) und Angst vor Krieg (Gore) – und dargelegt in langen, poetischen Texten.

Von James Ford im verwaschenen, unnötig mit Störgeräuschen unterlegten „Dirty Electro“-Sound von „Playing the Angel“ (2005) und eher meditativ als ereignisreich produziert, offenbaren die zwölf Songs dennoch einige Einsichten. „I’m heading for the ever after / leaving my problems / and the world’s disasters“ singt Martin Gore im eskapistischen „Soul with me“, und sicher wird jeder Songtext über Wochen dahingehend abgeklopft werden, ob sie von Fletch handeln – Dave Gahan fleht in „Speak To Me: „Give me something, you’d be my drug of choice“. Manche der Referenzen an prominente Vorbilder sind kunstvoll, wie die wässrigen „Franz Schubert“-Töne des gleichnamigen Kraftwerk-Stücks; nur, wenn es Blues sein soll, versenkt sich Gahan, ermutigt durch seine erfolgreiche Solokarriere, etwas zu tief in Pathos und Stilismen („Don’t Say You Love Me“).

Echte Hits? Schreiben Depeche Mode seit vielen Jahren nicht mehr. Aber diese Lieder haben eine Gravitas, die es früher nicht gab. Sie sind keine Fantasy mehr. Sondern Beichten, Bitten, Verhandlungen. Vielleicht schotten DM sich ab. Früher luden sie ein, „Welcome To My World“. Jetzt heißt es, gleich zu Beginn: „My Cosmos Is Mine“.

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