Ekel :: & Das Messer im Wasser
Schon in seinen ersten beiden Filmen zeigt sich Roman Polanskis klaustrophobische Ästhetik
Leon Niemczyk, Zygmunt Malanowicz
Catharine Deneuve, John Fraser
Regie: Roman Polanski
Mit der Satire „Der Gott des Gemetzels“ hatte Roman Polanski im vergangenen Jahr endlich wieder einen Publikumserfolg. Nach dem Regie-Oscar für sein Holocaust-Drama „Der Pianist“ von 2002 hatte der inzwischen 79-Jährige die gelobte, aber gefloppte Neuverfilmung von „Oliver Twist“ und die etwas langatmige Romanadaption „Der Ghostwriter“ gedreht. Schon nach seiner Flucht aus Amerika, wo er sich einem Prozess wegen Kindesmissbrauchs entzog und das Meisterwerk „Chinatown“ (1974) hinterließ, verlief die Karriere des einstigen Wunderjungen künstlerisch durchwachsen.
Nun erscheinen als restaurierte Fassungen noch einmal seine beiden Schlüsselwerke, die bereits alles aufweisen, was sein 50-jähriges Gesamtschaffen durchzieht. Sein polnisches Regiedebüt „Das Messer im Wasser“ von 1962 machte Polanski in europäischen Filmkreisen bekannt und wurde für den Auslands-Oscar nominiert. Der Erfolg ermöglichte ihm 1965 in England die Produktion von „Ekel“, mit der ihm endgültig der internationale Durchbruch gelang. Auf der Berlinale erhielt er dafür den Silbernen Bären, der Goldene ging an Godards „Lemmy Caution gegen Alpha 60“, eine Sci-Fi-Parodie des Film noir.
Polanski hat in seinen Filmen immer wieder den Film noir aufgegriffen, auch bei „Das Messer im Wasser“, der neben Bezügen zu Orson Welles „Die Lady von Shanghai“ zudem von der Hitchcock’schen Suspense inspiriert ist. Der erfolgreiche Sportreporter Andrzej (Leon Niemczyk) und seine jüngere Ehefrau Krystyna (Jolanta Umecka) nehmen für ihren Segeltörn am Wochenende einen jungen Anhalter (Zygmunt Malanowicz) mit. Auf dem Wasser eskaliert zwischen den Männern ein verbaler, intellektuell geprägter Streit zu einem physischen und erotisch durchdrungenen Machtkampf. Das Messer des Halbstarken ist dabei als phallisches Symbol, aber auch Metapher für den sozialen Unterschied zu dem etablierten Andrzej immer bedrohlich im Zentrum des ambivalenten Dreiecksverhältnisses.
Raffiniert hält Polanski die Balance zwischen Beziehungsdrama und Psycho-Thriller. Durch die gesellschaftskritischen Untertöne kann man den Film zur Nouvelle Vague um Claude Chabrol und François Truffaut zählen, ohne dass Polanski sich allerdings deren Duktus zu eigen macht. Isolation, psychologische Konfrontation und die filmische Interpretation des Kammerspiels tauchen in fast allen seiner Filme auf – in „Rosemaries Baby“ und „Der Mieter“ oder später „Bitter Moon“ und „Der Tod und das Mädchen“, ja auch in der Komödie „Was?“. Eine klaustrophobische Atmosphäre schwingt sogar in seiner Persiflage „Tanz der Vampire“, in „Chinatown“ und „Der Pianist“ mit. Bei Polanski, der seine Kindheit im Krakauer Ghetto verbringen musste, ist jeder ein Gefangener.
Am radikalsten, irritierendsten und pessimistischsten hat er diese Motive in „Ekel“ verdichtet. Der introvertierten jungen Carole (Catharine Deneuve) ist jede Berührung zuwider. Sie lebt mit ihrer Schwester zusammen, deren lautstarker Sex mit ihrem verheirateten Geliebten sie traumatisiert. Als das Paar verreist, steigert sich die verwahrlosende Carole in eine Psychose mit mörderischen Folgen hinein. Als Psycho-Drama im Horrorstil mit surrealen wie scheußlichen Schockeffekten ist „Ekel“ ein Blick in einen dunklen Strudel, der unweigerlich die eigenen Fantasien und Ängste hervorzerrt. (Pierrot Le Fou)
Extras
Die DVD von „Das Messer im Wasser“ enthält die Dokumentation „A Ticket To The West“. Zur DVD und Blu-ray von „Ekel“ gibt es neben Polanskis neuem Audiokommentar auch ein Interview mit Kameramann Stanley Long und die Dokumentation „A British Horror Film“.