Elvis Costello & Allen Toussaint – The River In Reverse

Schon auf „The Delivery Man“, seinem letzten Studioalbum, hat Elvis Costello die Musik des amerikanischen Südens zelebriert, war mit seinem Schlagzeuger Pete Thomas auf dem Rücksitz einer klapprigen amerikanischen Limousine durch Memphis und New Orleans gegurkt, hatte die alte Holzhütte von Muddy Waters besucht, Clarksdale gesehen und dabei an Birkenhead, Liverpool denken müssen. Wie gewohnt historisch fundiert bezog er sich in „Monkey To Man“ auf Dave Bartholomews „The Monkey“, das er auch in einem kleinen Studio in Clarksdale aufnahm.

Dann kamen Katrina und die Flut, und New Orleans verschwand in den Wellen. Costello traf bei einem Benefiz den großen amerikanischen R6?B-Produzenten und -Arrangeur Allen Toussaint, der übrigens – wenn das keiner höheren Logik folgt? – in den Fünfzigern von Dave Bartholomew entdeckt wurde. Die beiden kannten sich natürlich schon, seit Toussaint Costellos Yoko-Ono-Cover „Walking On Thin Ice“ produzierte, später arrangierte er auf „Spike“ den besten Song „Deep Dark Truthful Mirror“. Ob jemand den beiden in einem Supermarkt „Elvis und Allen, wir brauchen euch!“ zugerufen hat, ist nicht überliefert, doch zusammen wollte man den Fluss wieder zurück ins Bett singen und spielen. „The River In Reverse“ kam dabei heraus. Eine Sammlung von alten Toussaint-Klassikern und neuen Co-Kompositionen (nur den Titelsong schrieb Costello ganz alleine). Toussaint spielt Klavier, und die Bläsersektion ist natürlich auch die seine, Rhythmusgruppe sind Costellos Imposters.

Toussaints „On The Way Down“ of Little Featfame eröffnet mit robustem Rhythmus, Costellos schroffer Gitarre, Toussaints subtilem Piano, konzisen Bläsern und scharfem Vortrag, schlägt die Brücke zwischen dem rumpligen „The Delivery Man“-Eröffnungsstück „Button My Lip“ und Toussaintscher Eleganz. Und den trockenen Sound des Produzenten Joe Henry – auch durch die Arbeit mit Soul-Oberbischof Solomon Burke schon in diesem Territorium zu Hause – kann man, wenn man will, hier auch heraushören.

Das Wechselspiel von Steve Nieves Orgel und Anthony Browns Gitarre verortet „Nearer To You“ – ebenfalls ein Toussaint-Original, obwohl es wie eine typische Costello-Ballade klingt – im amerikanischen Süden. Das besorgen in der alten Lee-Dorsey-Nummer „Tears, Tears, And More Tears“ Bläser und Ragtime-Piano. Mag sein, dass wir nach den vielen Costello-Alben der letzten Jahre eine Pause brauchten, aber so einen Elvis wie diesen haben wir noch nicht gehört. Famos.

Der Beerdigungsmarsch“The Sharpest Thorn“ ist besser als alle in der Konzeptkunst von „The Delivery Man“ versteckten Balladen. Dann übernimmt Toussaint auf „Who’s Gonna Help Brother Get Further“, nur dieses eine Mal mischt sich seine Stimme in den Vordergrund – und stiehlt Costello natürlich die Show. Der holt sich das Spotlight mit seinem stärksten Song, „The River In Reverse“, zurück. Das erste Stück, in dem sich die Katastrophe spiegelt. Wenig später folgt ein Spaziergang durch Mythos, Geschichte und Verfall: „Broken Promise Land“; Professor Longhairs „Tipitana“ mit neuem Text als „Ascension Day“ und das schmissige „International Echo“. „All These Things“, das Costello einst mit den Attractions coverte, trägt er nun mit einer Grandezza vor, wie sie auch auf „Painted From Memory“, seiner ersten Kooperation mit einem großen Alten, nicht fehl am Platz gewesen wäre.

Sie werden weder den Fluss in sein Bett zwingen, noch New Orleans wieder aufbauen können mit dieser Platte, aber eine Naturgewalt wie Elvis Costello ist das Beste, was dem musikalischen Erbe dieser Stadt passieren konnte.

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