Elvis Costello :: My Aim ls True

Erste Lieferung der angereicherten Werkschau des kleinen King

Kein Mensch und auch nicht Neil Young hat sein eigenes Schaffen so ausführlich archiviert, dokumentiert und kommentiert wie Declan Patrick Aloysius MacManus, den wir im Folgenden der Einfachheit halber Elvis Costello nennen wollen. Noch hatte er das Gebiet der Popmusik fiir junge Menschen kaum verlassen, da wurden seine ersten drei LPs, entstanden in zweieinhalb Jahren, schon wieder veröffentlicht, ohne nennenswerten Mehrwert, aber doch auf CD und hübsch aufgemacht, sogar alles in einer Box (die aber im LP-Format und mit dem emblematischen Brillengesicht). Später wurden sämtliche auf Demon veröffentlichten LPs aufgerüstet und mit Bonus-Tracks ohne Zahl versehen, außerdem mit Elvis‘ selbstkritischen Essays und Detailerklärungen, die zunehmend voluminöser und umständlicher wurden. Gab es zu „Trust“ noch nicht so viel mitzuteilen, brauchte er zur Verteidigung von „Goodbye Cruel World“ schon einige gelehrte Seiten. Schwer vorstellbar, dass Bob Dylan dereinst „Down In The Groove“ memorieren wird. Und Elvis müsste sich ja auch nicht entschuldigen. Na gut, jedenfalls nicht bis „Mighty Like A Rose“. Oder Juliet Letters“.

Jetzt hat er sich ein weiteres ehrgeiziges, ja bodenloses Projekt vorgenommen: Nicht nur kommen die problematischen Jahre bei Warner Bros, zu ihrem Recht – Elvis unterzieht gleich sämtliche Alben einer Remedur und holt als Beweisstücke Demos und Alternativ-Fassungen aus den Schubladen. Ganze Platten hat er dort in anderen Versionen liegen, von Liedern, die er für andere Sänger verfasst hat, zu schweigen. Bloß singt er die Songs für Fremde natürlich auch selbst, wenngleich selten besser als die Beschenkten. Der manische Sammler hat auch ein Editionsprinzip erdacht, nach dem nun in Zyklen je drei LPs auf Doppel-CDs umgehoben und dabei irgendwie thematisch geordnet werden. Das hat zwar keinen rechten Sinn, wirkt aber konzeptionell und steigert die Spannung: Hätte man „All This Useless Beauty“ von 1996 gerade noch entbehren können, so übereugt nun die Behauptung, es handle sich eigentlich um ein Solo-Album ohne die Attractions – weshalb das verkünstelte Spätwerk in eine Lieferung mit dem Debüt gehöre. Mighty Costello!

Hinzu kommt „Spike“ von 1989, das insofern nicht solo aufgenommen wurde, als Elvis ungefähr 40 Musiker auf zwei Kontinenten mit den Aufnahmen beschäftigte. Elvis‘ Entree bei Warner hätte die Firma beinahe ruiniert: Neben Paul McCartney, mit dem Elvis „Vferonica“ und den Unfug „Pads, Paws And Claws“ schrieb, wirkten Marc Ribot, Jim Keltner, Benmont Tench, Michael Blair, Chrissie Hynde und die Dirty Dozen Brass Band an den Songs mit. „Spike“ ist der größte Elvis aller Zeiten – Streicher, Flöten, Dudelsäcke und Bläser begraben beinahe die exzellenten Songs, die von Magiern wie Tench und Blair mit der Feinfühligkeit von Gehirnchirurgen gespielt werden, was man aber selten hört, weil Elvis immer noch eine Lage drauflegen musste. Heute ist er froh, diese Platte gemacht zu haben, als er es konnte. Das Taschengeld von Opa Warner war aufgebraucht, es war die beste Zeit. Auf der zweiten CD erfreuen übrigens fast alle Songs als Demos, darunter auch eine Version von „Stalin Malone“ mit drübergesprochenem Text. Die Hinzunahme des sehr wenig überzeugenden „Coal-Train Robberies“ irritiert und beweist, dass Platten heute zu lang sind. 4,5

„My Aim Is True“ ist eines der Alben für die Kapsel im Weltraum und klassisches Vinyl. Auch dem größten Meister wird es nicht gelingen, dem dürftigen Klang etwas Fülle zu geben, während die Songs unkaputtbar bleiben. Die Platte ist reines 1977 (und das ist auch gut so). Auf der Bonus-CD ist allerlei Kram, vor allem „Honky Tonk Demos“. Naja.

Der schwierigste Fall ist „All This Useless Beauty“. Hier versuchte Elvis offenbar Kunstlieder – das umschließt lautes Gewinsel wie „Why Can’t A Man Stand Alone?“ und Krampf wie „Complicated Shadows“ oder „Shallow Grave“, aber auch „You Bowed Down“, „It’s Time“ und JPoor Fractured Atlas“ – Songs, die Hoffnung auf ein Leben jenseits des Pop geben. Auf der zweiten CD: eine Demo-Version von „The Only Flame In Town“ sowie der Tricky-Remix von „Distorted Angel“, eine Elvis-Schnapsidee, die heute älter klingt als „Alison“. 3,5

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