FILMFACTS :: Eine anspielungsreiche, aberwitzige Komödie zeigt, wie mit Konsolenspielen sozialisierte Kids mit Aliens umgehen würden.

Moderne Nachbarschaftshilfe

Attack The Block****

John Boyega, Nick Frost

Regie: Joe Cornish Start: 22.9.

Ein Alien? Okay. Cool. Den vom Glauben an Außerirdische getriebenen FBI-Agenten Fox Mulder aus der TV-Serie „Akte X“ würde es vermutlich rasend machen, wie unbeeindruckt die Kids hier mit ihrer außerirdischen Entdeckung umgehen. Als wäre es nicht viel mehr als ein banales Videospiel, ziehen sie gleich mit Baseballschlägern, Butterflymessern und Böllern in die Schlacht – nicht unbedingt zur Rettung der Erde vielleicht, zumindest aber, um ihr Viertel zu verteidigen. Und dabei ist Mulders Motto „Believe!“ ein Running Gag, den schließlich auch durchgeknallte Gangster stammeln.

Nach Independentwerken wie zuletzt „District 9“, „Skyline“ oder „Monsters“ zeigt nun auch der Brite Cornish in seinem Regiedebüt mit kleinem Budget und kaum bekannten Darstellern eine ziemlich originelle Variante des alien invasion movies.

Im sozial schwachen Süden Londons raubt eine Jugendgang gerade die Krankenschwester Sam (Jodie Whittaker) aus, als nebenan ein Meteor mit einem glitschigen Wesen an Bord einschlägt. Nach kurzem Schrecken können die Halbwüchsigen das Biest gemeinsam erledigen: „Welcome to London, motherfucker!“ Stolz schleppen sie das Ding aus einer anderen Welt durch die nächtlichen Straßen bis ins Apartment des schmuddeligen Kiffers Ron (Nick Frost), der Marihuana für den rappenden Drogendealer Hi-Hatz (Jumayn Hunter) züchtet.

Als vor ihrem Hochhaus weitere Meteoriten niedergehen, freuen sich die halbstarken Alienkiller auf eine lockere Keilerei. Doch die Kumpels des toten E.T. sind von einem härteren Kaliber: Monster zwischen Werwolf und Gremlin, deren Augen und Zähne neonfarben leuchten. Und zuallererst muss der Pitbull dran glauben.

Es mangelt nicht an absurden Gags, derben Sprüchen und schrägen Typen. Hi-Hatz („This is my block!“) etwa ist eine grandiose Karikatur des Gangsta-Klischees, der sich weitaus mehr für seinen ramponierten Mercedes als für die Aliens zu interessieren scheint. Zwei vorwitzige Zehnjährige wollen beim Kampf der Welten mit einer Wasserpistole voller Spiritus mitmischen. Und die beiden schrillen Freundinnen der Jungs erschlagen eines der Ungeheuer im Badezimmer eher zufällig mit einem Schlittschuh. Dazu wummert der House- und Reggae-Sound von Basement Jaxx.

Eine Parodie hat Cornish mit den Produzenten von „Shaun Of The Dead“ dennoch vermieden. Er hält geschickt die Balance zwischen Komik und Spannung und immer die Genreregeln des Horrorfilms ein. So spritzt reichlich Blut, wenn die Clique nacheinander dezimiert wird. Ihr Anführer Moses (charismatisch: John Boyega) wächst schließlich beim Showdown über sich hinaus. Die überaus rasanten Stunts mit Fahrrädern und Pizza-Service-Moped über Brücken und Treppen sind jedes Mal mit einer Pointe gekoppelt – sogar die einfachen Effekte, mit denen die Monster inszeniert werden, funktionieren perfekt.

Filmzitate sind pfiffig als popkulturelle Referenz in Sätzen wie „Let’s hunting the Gollum“ und bereits im Werbeslogan „Inner City vs. Outer Space“ eingebaut. Und wenn der beleuchtete Häuserblock gefilmt wird wie am Anfang von „Alien“ das Raumschiff Nostromo, liegen darin Ironie und Bedrohung zugleich.

„Attack The Block“ ist wirklich wildes, witziges, wagemutiges, postmodernes Kino. Believe!

Nick Frost

Schauspieler, England

Geboren 1972 in Essex, bekam er 2001 eine erste Rolle in der Sitcom „Spaced“ von und mit Simon Pegg. An dessen Seite gelang ihm der Durchbruch in der Zombie-Parodie „Shaun Of The Dead“ (2004). Gemeinsam drehten sie zudem die Komödien „Hot Fuzz“ und „Paul – Ein Alien auf der Flucht“. Sein Lieblingsfilm ist Steven Spielbergs „Unheimliche Begegnung der dritten Art“. Für Spielbergs „Tim und Struppi“-Verfilmung steht er gerade vor der Kamera.

Le Havre ***¿

André Wilms, Kati Outinen

Regie: Aki Kaurismäki Start: 8.9.

Bei der Premiere in Cannes wurde er gefeiert, galt sogar als Favorit für die Goldene Palme. Dabei hat Aki Kaurismäki mit diesem Märchen weder sich selbst noch das Kino neu erfunden. Der Applaus gilt wohl eher der Sehnsucht des Publikums nach Beständigkeit, Herzlichkeit und Langsamkeit, die der Finne gerade in dieser unübersichtlichen, lärmigen, egoistischen Welt stoisch verkörpert. Mit der für ihn typischen Melancholie und Ironie erzählt er von Hoffnung, vergangenen Träumen und Courage. Der gescheiterte Schriftsteller Marcel Marx (André Wilms) – den wir schon aus „Das Leben der Boheme“ kennen – arbeitet in Le Havre als Schuhputzer, der durch die Stadt streift wie Charlie Chaplin in „Lichter der Großstadt“. Ehefrau Arletty (Kati Outinen) ist nicht gerade seine große Liebe, aber eine liebevolle Seele. Die bescheidene Routine ist vorbei, als er den illegalen Flüchtling Idrissa (Blondin Miguel) versteckt und Arletty krebskrank ins Krankenhaus muss. Um den Jungen nach London zu bringen, unterstützen ihn die Bäckerin und der Gemüsehändler, bei denen er in der Schuld steht. Sogar der knurrige Kommissar Monet (Jean-Pierre Darroussin mit der Ruhe von Jean Gabin) schaut weg. Langes Schweigen, knappe Sätze, statische Kamera – so zaubert Kaurismäki eine unvergleichliche traumwandlerische Poesie herbei. Und erweist sich mit einem augenzwinkernden Ende als Romantiker.

Kill The Boss **¿

Kevin Spacey, Colin Farrell

Regie: Seth Gordon Start: 1.9.

„Hangover“ ist in Hollywood momentan der komödiantische Maßstab – so wie es einst „Die nackte Kanone“ war und zuletzt der pubertäre Humor von Judd Apatow wie in „Jungfrau (40), männlich, sucht“. Auch Regisseur Gordon und Produzent Brett Ratner („Rush Hour“) setzen eine Gruppe ganz gewöhnlicher Männer irrwitzigen Situationen aus. Hier leiden drei Freunde unter ihren Chefs: Nick (Jason Bateman) wird vom sadistischen Manager David (Kevin Spacey) gedemütigt. Der verlobte Zahnarzthelfer Dale (Charlie Day) weiß sich nicht gegen die sexuellen Übergriffe von Julia (Jennifer Aniston) zu wehren. Und Kurt (Jason Sudeikis) fürchtet, der koksende Sohn (Colin Farrell) des verstorbenen Firmenbesitzers (Donald Sutherland) werde den Laden ruinieren. Mord scheint ihnen schließlich der einzige Ausweg zu sein. Der Auftragskiller Motherfucker Jones (Jamie Foxx) gibt ihnen für 5.000 Dollar allerdings nur den Tipp, sie sollten es wie in Hitchcocks „Der Fremde im Zug“ machen – also jeweils den Boss des anderen umbringen. Die folgenden Patzer und Missverständnisse des überforderten Trios sind hoch amüsant. Bis dahin hat man aber beständig das Gefühl, der Film komme bei all dem mal larmoyanten, mal hysterischen Gequatsche nicht voran. Zudem sind einem die Hauptfiguren überhaupt nicht sympathisch. Auch stört die aggressive Erotik der nach wie vor sterilen Aniston, die gegen ihr nettes Image vergeblich anspielt. Da lacht man lieber voller Schadenfreude mit dem brillanten Spacey als pathologisches Ekel und über die Maskerade des Primitiven von Farrell.

Zoe Saldana, Cliff Curtis

Regie: Olivier Megaton Start: 15.9.

Hollywood und Hongkong dominieren seit Jahrzehnten den Actionfilm. In Europa hält einzig Luc Besson dagegen, meist nur noch als Produzent, manchmal auch als Drehbuchautor. „Taxi“ oder „Transporter“ sind zwar eher B-Movies, aber erfolgreich und geschickt aus den Sujets und Standards des Genres zusammengesetzt wie auch dieser Action-Thriller. Cataleya (Zoe Saldana) musste als kleines Mädchen mit ansehen, wie ihre Eltern in Kolumbien von der Drogenmafia ermordet werden. Von ihrem Onkel Emilio (Cliff Curtis) in Chicago lässt sie sich zur Profikillerin ausbilden, die ihre Aufträge raffiniert und ohne Spuren ausführt. Für den FBI-Agenten Ross (Lennie James) ist sie ein Phantom. Bis ihr Gefühle zum Verhängnis werden – Rache und Liebe. Besson hat sich sehr deutlich bei seinen Meisterwerken „Nikita“ und „Leon – Der Profi“ bedient, was Cataleya etwas schablonenhaft macht. „Avatar“-Amazone Saldana ist allerdings eine Augenweide. Packendes Actionkino für alle, die Fantasy- und Superheldenfilme nicht mehr sehen können.

Mein bester Feind ***¿

Moritz Bleibtreu, Udo Samel

Regie: Woolfgang Murnberger Start: 1.9.

Wien 1938: Victor (Moritz Bleibtreu) ist seit Kindheitstagen mit Rudi (Georg Friedrich) eng befreundet. Dieser, Sohn des jüdischen Galeristen Jakob Kaufmann (Udo Samel), weiht ihn sogar ein, wo die Familie eine wertvolle Zeichnung von Michelangelo versteckt. Rudi ist jedoch in dessen Freundin Lena (Ursula Strauss) verliebt und schließt sich nach dem Einzug der Nazis der SS an. Victor und seine Eltern kommen ins KZ, der Michelangelo soll Mussolini beim Besuch in Berlin überreicht werden. Aber es sind zwei Fälschungen im Umlauf – und Victor kann unter abenteuerlichen Umständen mit Rudi die Rollen tauschen. Nach dem Roman von Paul Hengge ist Regisseur Murnberger („Komm, süßer Tod“) mit einem famosen Ensemble ein etwas altmodischer, dennoch vortrefflicher Spagat aus Tragikomödie, Verwechslungsschwank und Satire mit gewitzten Wendungen gelungen. Trotz dämlicher Nazis entgleitet ihm der Tonfall nie ins Alberne, eher klingen Ernst Lubitschs „Sein oder Nichtsein“ oder auch der Humor von Billy Wilder an.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates