Fred Neil – Echoes Of My Mind – The Best Of 1963-71

Jeder Vergleich mit Nick Drake, den Richie Unterberger in seinen Liner Notes gleich zu Beginn meint anstellen zu müssen, ist völlig abwegig. Fred Neil sah sich in einer höchst lebendigen Folk-Tradition, die er in seinen Songs ganz bewußt fortspinnen wollte. Als solipsistisches Originalgenie, der Welt etwas abhanden gekommen und verkannt, sah er sich gewiß nicht.

Was er von Percy Mayfield, Reverend Gary Davis und anderen Blues-Vorbildern adaptierte, gab er an Bewunderer und Schüler weiter – „Cocaine“ beispielsweise an Jackson Browne. Anders als Nick Drake, nahm er bei passender Gelegenheit auch Cover-Versionen auf. Etwa eine ganz hervorragende von „Morning Dew“ auf der mit Vince Martin eingespielten Debüt-LP. Wie die englische Kollegin Anne Briggs hatte er, wenn die Erzählungen stimmen, einen regelrechten Horror vor Studio-Aufnahmen. Eines seiner bewundernswertesten Defizite war die Tatsache, daß er einen Song niemals auf dieselbe Weise interpretieren konnte. Gelassene Professionalität war nie sein Ding, wie die in seinem Dunstkreis lebenden und ihn verehrenden David Crosby und John Sebastian überlieferten: Bei Konzertauftritten sowieso ein notorisches Nervenbündel, verließ er abrupt und grußlos die Bühne, wenn sich das Publikum gegenüber seinem Vortrag indifferent zeigte.

Obwohl lange schon eine etablierte Größe in der Folk-Szene der Ostküste, nahm er erst mit etlichen Jahren Verspätung seine erste LP für Elektra auf und ein Jahr später für „Bleecker & MacDougal“ auch seinen mit Beverly Ross komponierten „Candy Man“, 1961 die B-Seite von Roy Orbisons „Crying“ und im selben Jahr wie die A-Seite ein Hit. wenngleich kein so großer. Während die Karriere anderer Singer/Songwriter um 1970 steil abhob und jemand wie Manager David Geffen dadurch steinreich werden konnte, nahm Fred Neil noch ein paar letzte Sessions für Capitol auf, nur um sich danach für die nächsten drei Jahrzehnte völlig aus dem Musikgeschäft zurückzuziehen. Drei Jahre vor seinem Tod, sprich 1998, wurden die Capitol Sessions erstmals komplett auf einer Doppel-CD veröffentlicht, und die ersten beiden LPs reichte Elektra 2001 als „twofer“ nach. Die jetzt von Raven Records vorgelegte Werkschau ist ein sehr gelungenes „Very Best Of“-Kondensat aus beiden: Unter den zwei „Hootenanny Live At The Bitter End“-Mitschnitten am Anfang das exzellente „The Sky Is Falling“, bei dem er keinerlei Lampenfieber zeigt. Die besten Aufnahmen aus den beiden qualitativ etwas unebenen Elektra-LPs (wobei die zweite weit besser repräsentiert ist, was vollkommen in Ordnung geht). Und dann ein Dutzend Aufnahmen für Capitol, darunter auch der Reverend Gary Davis-Klassiker, der hier unter dem Titel „Sweet Cocaine“ kurioserweise als Fred-Neil-Komposition ausgegeben wird. Für das Live-Flair der letzteren sorgte Capitol-Tonmeister Nick Venet: Weil er um die Studio-Phobie dieses Klienten wußte, ließ er die Bänder permanent mitlaufen. Overdubs und jegliche klangkosmetische Schminke waren für Neil tabu.

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