Gene Clark – Gene Clark With The Gosdin Brothers
Aus vermeintlicher oder tatsächlicher Angst vorm Fliegen haben die Kollegen Alan Price und Gene Clark sehr ähnliche Konsequenzen gezogen. Ersterer verabschiedete sich von den Animals, um ab sofort alle Tantiemen für das Arrangement von „House Of The Rising Sun“ auf sein Konto überwiesen zu bekommen, obwohl das auf dem Mist der ganzen Band gewachsen war. Wie er steuerte auch Clark eine Solo-Karriere an, weil er nicht mehr schweißgebadet vor dem nächsten Abflug zu einem Auftritt aufwachen mochte. Als wichtigster Songschreiber der Byrds hatte er bei derselben Major Company soviel Kredit, dass man selbstredend ein Solo-Projekt finanzierte, zu dem er reichlich talentierte Kollegen wie Chris Hillman und Doug Dillard, Leon Russell und Clarence White einladen konnte. Einer der besten neuen Songs, die Ballade „Echoes“ mit ihrer kryptisch verklausulierten Form von Bewusstseinsstromprosa, war auch ein Stück Autobiografie wie die Lieder so vieler amerikanischer Singer/Songwriter später. Sie enthielt unter anderem die Verse: „Infection easily spreads to the searching twisted heads/ As they team up to tear down each others feelings.“ Was nichts anderes als eine sehr böse Bilanz seiner Jahre mit den Byrds war, jener Band, als deren Chef sich auch Roger McGuinn und David Crosby empfanden – und alle anderen als höchst mittelmäßige Musikanten. Die maliziösen Anmerkungen dürften den Ex-Kollegen damals aber gar nicht so richtig aufgegangen sein. Die waren weit mehr damit beschäftigt, Lieder über neue Retorten-Stars wie die Monkees zu schreiben, sich gegenseitig das Leben so schwer wie möglich zu machen und trotzdem zusammen noch genügend Live-Auftritte zu ergattern, um für das neue Album „Younger Than Yesterday“ zu werben. Dasselbe hatte bei Columbia – wie andere von Simon & Garfunkel usw. auch – so hohe Priorität, dass Gene Clarks Solo-Erstling unterging und ein gnadenloser Flop wurde. Für Individualisten und Solisten wie Neil Young war die Zeit halt erst ein/zwei Jahre später reif!
Clark sah vorher aber auch gar keine Notwendigkeit, intensiv an seiner Solo-Karriere zu basteln und die so schnell wie möglich in die Gänge zu bringen. Sessions mit Kollegen wie Glen Campbell und Van Dyke Parks konnte er sich locker leisten, weil jetzt erst das ganze Geld von den ersten Byrds-LPs peu ä peu eintrudelte. Wie so viele seiner frühesten Songs aus der Zeit vor dem Vertrag der Byrds mit Columbia bezeugten auch einige der neuen seine grenzenlose Beatles-Idolatrie. Wer wissen möchte, wie sehr er „A Hard Days Night“ und „Help!“ verinnerlicht hatte, wird hier problemlos fündig. „Tried So Hard“ wiederum war ein Stück melancholischer Country-Rock, bevor der Begriff überhaupt existierte und er selber mit den „Fantastic Expeditions Of Dillard & Clark,“ seinen immer wieder hörenswerten Beitrag zum Thema Newgrass lieferte.
Als fatal sollte sich erweisen, dass sein Manager Vern und Rex Gosdin als Back-up-Sänger engagierte (die standen auch bei ihm unter Vertrag, deswegen…) und Columbia davon überzeugen konnte, dass die ganz prominent im LP-Titel auftauchen sollten. Nicht zielführend war auch, dass „Echoes“ als Debüt-Single für das Langspielwerk werben sollte. Das war nämlich ein von Leon Russell so komplex arrangiertes Stück Barock-Folkpop. dass jeder Mittelwellen-Discjockey nur erschreckt abwinken konnte, dem man das in die Hand drückte. Als die LP dann auch noch in derselben Woche erschien wie die neue der Byrds, durfte er alle kommerziellen Hoffnungen fahren lassen.
Eine so homogene und hochkarätige Platte wie spätere Meisterwerke von Gene Clark war diese Platte nicht, aber bei so vielen brillanten Momenten hatte sie nicht verdient, so völlig unterzugehen. Unter den sechs Zugaben der Remaster-Edition findet man ein unplugged musiziertes Demo von „So You Say You Lost Your Baby“, das schöne „Only Colombe“ in hier erstmals veröffentlichtem Mono-Mix und „Tried So Hard“ in einer Alternativ-Fassung, die entschieden mehr Byrds-like klingt als die bekannte. Für die Liner Notes verpflichtete man John Einarson, den Autor von „Mr. Tambourine Man: The Life and Legacy of The Byrds‘ Gene Clark“. Gute Lektüre also.