Ingrid Michaelson

Boys And Girls

Universal

„I’m a big girl now/ See my big girl shoes“, empört sich Ingrid Michaelson. Trotzig beharrt sie darauf, dass sie ihren eigenen Namen schon mit drei Jahren schreiben konnte und dass sie niemanden brauche, der ihr das Fleisch klein schneidet. Und wenn sie jetzt über Bord falle, verrät sie schließlich in dem putzigen Liebeslied „Overboard“, dann doch bloß, damit wir sie auffangen können.

Die charmante Ingrid Michaelson ist zwar schon 28, spielt in ihren kunterbunten Indiepop-Songs aber immer noch gerne das kleine große Mädchen, das sich mal wie eine strahlende Superheldin, mal wie das unscheinbarste, unsicherste Ding der Welt fühlt, das mal der ganzen Welt beweisen will, wie toll es ist, sich mal am liebsten in einer dunklen Ecke verkriecht.

Weil die Songs der New Yorkerin, die wie eine Bibliothekarin aussieht, die sich ins Popgeschäft verirrt hat, stets unaufdringlich-eindringlich inszeniert sind, hat es schon fast das halbe Album, das in den USA bereits vor einem Jahr erschienen ist, in die Fernsehserie „Grey’s Anatomy“ geschafft. Obwohl es seit Oktober schon das Nachfolgeralbum „Be OK“ gibt, müssen wir uns erst einmal mit „Girls And Boys“ begnügen und dürfen ein Mädchen erleben, das zum bei Coldplay geborgten Pathos seufzend merkt, dass sie das Herz nicht mehr findet, das sie verschenkt hat („Glass“).

Ein Mädchen, das süßliche Abschiedlieder („Starting Now“) und swingende Schnulzen ( „The Way I Am“) anstimmt, sich mit seiner Ukulele lustige Märchen ausdenkt („Far Away“), das – mal umgeben von Jahrmarktsorgeln, mal zur Akustikgitarre – wehmütige Lieder von den Nachteilen des Flüggewerdens („Highway“, „December Baby“) singt.

Erschrocken stellt dieses Mädchen dann in „The Hat“ fest, dass es nicht mehr 17 ist („So it’s Christmas time, it’s been three years/ And someone else is knitting things for your ears“) Davon, wie es sich anfühlt, eines Tages aufzuwachen und plötzlich nicht mehr jung zu sein, erzählt auch „Die Alone“, bei der Michaelson wie Kate Nash mit verzerrten Gitarren, wie die niedliche kleine Schwester von Regina Spektor klingt.

Und dann ist da noch „Breakable“, der betörendste Song des Albums, in dem sie von den knacksenden Geräuschen erzählt, die Knochen machen, wenn sie zerbrechen und die darunter liegenden Herzen ungeschützt sich selbst überlassen. Das weiß sie wohl aus „Grey’s Anatomy“. (Universal)