Jackson Browne – Time The Conqueror :: Ein famoses Spätwerk des großen kalifornischen Songschreibers
All die Jahre, in denen er als ultimativer Gutmensch, Protestler und Kampagnenträger in den Randnotizen und auf Fotos mit anderen Wohlmeinenden erschien, hofften wir auf Jackson-Browne-Lieder mit Jackson-Browne-Melodien und Jackson-Browne-Melancholien. Doch seit „Lives In The Balance“ kamen diese Platten nicht mehr — oder nur halb gelungen, wie „Im Alive“ von 1993. Der Produzent Scott Thurston hatte sogar den Jackson-Browne-Sound in gewöhnlichen Songschreiber-Rock verwandelt. Erst vor vier Jahren begann Browne, mit „Solo Acoustrc Vol. I“ jene Straße der Erinnerung hinunterzuschreiten, auf der sie schließlich alle gehen. Mittlerweile musste der Mann, von dessen „Running On Empty“ angeblich sieben Millionen Exemplare verkauft worden waren, sein eigenes Label gründen.
Doch wo Verzagtheit herrschte, da wuchs das Rettende auch. Knapp vor seinem 60. Geburtstag bringt. Jackson Browne ein Album heraus, das an seine großen Platten der 70er Jahre heranreicht. Mit der Band um Kevin McCormick, Mauricio Lewak, Mark Goldenberg und Jeff Young gelingt ihm der Klang von Kontemplation und Dringlichkeit zugleich, der so lange gefehlt hatte. Randy Newman mag sich über den aufrechten Menschenfreund amüsieren („No one gives a shit but Jackson Browne“) und behaupten, dass er noch immer von den Gefahren der Atomkraft singe – Browne kontert stoisch mit emphatischen, doch nichtkitschigen Songs über Krieg („The Drums Of War“) und die New-Orleans-Katastrophe („Where Were You“). Nur Jackson Browne kann „the flower of our youth, of freedom, and the truth“ singen, ohne dass es wie das Klischee klingt, das es natürlich ist. Und nur Jackson Browne kann „the city that gave us the first American Music“ so intonieren, dass man den Verlust tatsächlich empfindet.
In den wenigen Versen von „Off Of Wonderland“ entzaubert er den Mythos der Jahre um 1968: „Didn’t we believe in love?/ If we could just believe in one another/ As much as we believed in John.“ Womit er auf Lennons Absage an jede Idolatrie in „Love“‚ anspielt. „Going Down To Cuba“ ist eine burleske, satirische Erzählung über die Wonnen und Genüsse der boykottierten Insel samt Piano-Salsa-Motiv und südlichen Background-Sängerinnen. In einer seiner rätselhaftesten und elegantesten Balladen, „Live Nude Cabaret“, wird das, sagen wir: Rätsel des Weiblichen feierlich und ungelenk bedacht. „Giving That Heaven Away“ evoziert das „long brown hair, light as a breeze“ von „pretty Nova“ – ein Abgesang auf den unschuldigeren Teil der Sechziger mit Hammond-Orgel; das wunderbar fließende „Just Say Yeah“ ist eines der lichtesten Liebeslieder Brownes. Und endlich erklingt wieder die Slide-Gitarre, die früher der treue David Lindley spielte, und die Fadeouts sind so lang und wunderbar wie auf „Late For The Sky“ und „The Pretender“. Als bessere Menschen entlässt uns „Far From The Arms Of Hunger“, eine mit Danny Kortehmar verfasste, leider etwas dröge Vision einer besseren Welt.
Und niemand singt so poetisch wie Jackson Browne.