Jazz von Seckendorff
Zwei CDs mit identischen Kompositionen – das gab es bei ORNETTE COLE-MAN schon 1987. Während aber das Doppel-Album „In All Languages“ die Kategorien Rock und Jazz in Frage stellte mit parallelen Interpretationen durch Prime Time und Ornettes akustisches Quartett, ist bei „Three Women“ und „Hidden Man“ (Verve) ein und dieselbe Besetzung am Werk: Coleman spielt außer Saxophon auch Geige und Trompete. Sein Sohn Denardo zeigt, wie ein harmolodischer Schlagzeuger die „sound messages“ transportiert Auch Geri Allen (p) und Charnett Moffett (b) meistern die harmolodische Herausforderung, stilistische Klischees und solistische Egotrips hinter sich zu lassen zugunsten gruppendynamischer Improvisation-Abenteuer von höchster Intensität: geläuterter Free-Jazz, meist auf Pulse-Basis, tonale Elemente nicht scheuend. 4,0
Auch mit konventionelleren Farben kann erfrischend Eigenständiges entstehen. Wie „Pastels“ (Steeplechase/FMS) von VIC JURIS: Da hat ein von Gitarristen-Kollegen bewunderter Virtuose aus Fusion-Tagen zur weisen Ökonomik ä la John Scofield aufgeschlossen. Rasante Unisono-Themen mit dem kongenialen Phil Markowitz (p) geraten nie zum Selbstzweck. Bluesfeeling erdet noch die komplexesten Soli bei diesem Quartett. 4,0
Von Glück kann der Drummer und „musicians musician“ JERRY GRANELLI reden, daß er an die jungen Gitarristen Kai Brückner und Christian Kögel geraten ist. Die kennt zwar hierzulande erst recht keiner. Aber was die Band UFB auf „Broken Circle“ (intuition/SMD) aus Songs von Prince und Peter Gabriel zu machen versteht, aus nicht weniger amerikanisch wirkenden eigenen oder aus Granellis der indianischen Kultur gewidmeten Suite „Song Of A Good Name“, dürfte aufhorchen lassen. 4,0
JOHN SCOFIELD, für alle genannten Gitarristen von positivem Einfluß, leistet sich erstmals ein rein akustisches Opus. „Quiet“ (Verve) lebt vom kammermusikalischen Wechselspiel zwischen „Scos“ gewohnt linear gezupfter Gitarre und der raffinierten Harmonik eines Bläsersatzes – so dezent, daß mancher diese delikate Kammermusik als beiläufig mißverstehen dürfte. 4,0
Den Glauben an harmonische Reize scheint der Schlagzeuger LEON PARKER verloren zu haben. „Belief“ (Columbia) ist das im Vergleich zum 94er Debüt karge Resultat Zwischen hypnotisch und monoton bewegen sich Vocals und Steeldrum, Bläser (darunter Steve Wilson und Tom Harrell) und der minimalistische Drumset, den kaum einer so suggestiv spielt wie Leon. Eine mit Ethno gewürzte Rhythmus-Diät, die Lust macht auf ein paar satte Akkorde. 3,5
Vielseitiger präsentiert sich Parkers ehemaliger Arbeitgeber DAVID SANCHEZ. Auf den Spuren von Sonny Rollins durchmißt er das Tenorsax-Revier zwischen Hardbop und Karibik, rhythmusbetont nicht nur beim als Funk à la New Orleans angelegten Titeltrack „Street Scenes“ (Columbia/Sony). 4,0
„Yopla!“ (Label Bleu/EFA), der eigentliche Clou dieser Saison, hat nur am Rande mit Salsa und Bop, um so mehr aber mit dem Balkan zu tun: Der in Paris lebende bosnische Pianist Bojan Zulfikarpasik konnte französische Hoffhungsträger wie den Saxophonisten Julien Lourau zum BOJAN Z QUARTET versammeln. Alle Errungenschaften neueren Jazz-Pianos fließen ein in das souveräne Spiel mit ungeraden Metren und romantischer Melodik. Percussive Härte liegt Bojan ebenso wie subtile Begleitung. Mit weiten Spannungsbögen. ausgefeilter Dynamik und eigenwilligen Grooves sorgt dies Quartett für anspruchsvolles Hörvergnügen. 4,5
Nach ihrem Duo-Opus „Dances“ erweist sich MARIA JOAO mit „Fabula“ (Verve) wieder als Schauspielerin mit musikalischen Mitteln und portugiesischen Wurzeln. 4,0