Jazz :: VON SECKENDORFF

Bis in das letzte Detail hat WALLACE RONEY sein „Village“ (WEA) durchdacht: Warum hier Chick Corea am Klavier sitzen soll und dort Gert Allen. Wo Synthie-Sounds hinpassen, und wann die Percussionspieler das Schlagzeug Lenny Whites ergänzen. Maßgeschneidertes fiir Pharoah Sanders, für Michael Brecker. Alles kühl kalkuliert. Und doch ist das „Dorfleben“ spannend. Sogar straight swingende Passagen haben hier noch polyrhythmische Unterströmungen, und auch sonst ist der Trompeter W. Roney eher ein Mann der Visionen als bloßer Denkmalpflege. 4,0

Denkmäler en masse dagegen bei dem Verve-Label – sowie eine Musik, die uns sogleich aufhorchen läßt. Der Bassist CHRISTIAN MCBRIDE, Gitarrist MARK WHITFIELD und Trompeter NICHOLAS PAYTON (tp) widmen sich den Kompositionen Herbie Hancocks – ausgerechnet eines Pianisten, für den Schlagzeuger und Saxophonisten stets wichtige Mitmusiker waren. Aber noch nicht einmal bei Funk-Nummern aus Herbies Headhunter-Periode gerät diese eigenwillige Trio-Besetzung zum Handicap. Aus ihr entwickelt „Fingerpainting“ vielmehr erstaunliche Originalität. 3,5

Vom Reiz einer ungewöhnlichen Besetzung profitiert auch der „Porgy And Bess“-Tribut des Saxophonisten JOE HENDERSON. Gershwin wird dezent gegen den Strich gebürstet – vor allem dank Gitarrenriffs der eher rauhen bis rockigen Art, wie sie so gelassen nur John Scofield spielt. Gesangseinlagen von Sting und Chaka Khan, ungewöhnliche Vibraphon-Akzente und ein blendend gelaunter Henderson sorgen außerdem dafür, daß selbst „Summertime“-Allergiker aufatmen können: It ain’t necessarily so! 4,0

Und gleich noch ein Tribut aus der Verve-Ecke: Komponisten der Souljazz-Ara standen hörbar Pate für COURTNEY PINEs „Underground“, DJ Pogo spielt souverän eine Hauptrolle neben No-Nonsense-Jazzern wie Jeff „Train“ Watts (d) und Cyrus Chestnut (dessen Tasteninstrumentarium stilgerecht auch Hammond und Wurlitzer umfaßt). Eine durchaus stimmige Mixtur wenn auch nicht für HipHop-Puristen. Die dürften sich die Zähne ausbeißen an der Kompromißlosigkeit, mit der Courtney als Saxophonist das Erbe von Coltrane und Cannonball für die 90er Jahre aufbereitet. 4,0

Woran erinnert das erst jetzt veröffentlichte „First Meeting“ (Winter & Winter/edel) des Pianisten Masabumi Kikuchi mit Gary Peacock und Paul Motian? Einerseits an „Play Kurt Weill“, mit dem dieses Trio namens TETHERED MOON seine ungewöhnliche Herangehensweise – über die Akkordablgen. Parallelen gibt es aber auch zu den frühen Klaviertrio-Aufhahmen von Paul Bley, die ganz der Musik von Annette Peacock gewidmet waren. Deren meditativen Balladen, fast durchgängig auf Pulse-Basis, widmet sich auf „Nothing Ever Was, Anyway“ (ECM) eine Pianistin, die bislang eher mit Cecü Taylor verglichen wurde: MARILY CRISPELL sprengt solche Einordnungen mit einfühlsamen Understatement und Hang zu sanft sperriger Lyrik, unterstützt von – Gary Peacock und Paul Motion. Beide: 4,0

Wie schon bei „Seventh Truth“ sangesfreudig – und leider von so ziemlich allen guten Geistern verlassen: AZIZA MUSTAFA ZADEH. Auf die vielversprechenden Slowfunk-Version von „Lover Man“ zum Einstieg folgen auf „Jazziza“ (Sony) bald schon peinliches Pathos („My Funny Valentine“), zickiger Scat-Gesang („Scrapple From The Apple“) und dank Overdubbing auch zweistimmiges Bossa-Schmachten. Was verleitet die Pianistin aus Aserbeidschan dazu, „Take Five“ mit Beethoven und Bizet aufzupeppen? Warum sagt ihr niemand, daß ihr „Nature Boy“ auf ein manieriertes Mißverständnis hinausläuft? Vermutlich ist sie zu erfolgreich, vielleicht zu schön, vielleicht nicht wahr. 2,5

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