Jeff Buckley :: Live At Sine

Die Debüt-EP, erweitert um alle Songs von dem Club-Auftritt

Wie gut, dass am 19. Juli und 17. August 1993 die Bänder in dem Sin-e-Club mitliefen, als Jeff Buckley dort einige jener Solo-Konzerte gab, die seinen Ruhm begründeten. Diese Aufnahmen – professionelles Equipment, Columbia wollte die Mitschnitte zunächst als Debüt veröffentlichen – dokumentieren nichts weniger als die Geburt einer Legende. Anders als bei den frühen Proben-Sessions der Velvet Underground, die eine sich erst noch findende und rapide musikalisch entwickelnde Band auf dem Box-Set präsentieren, hört man hier ein (fast) schon reifes Sanges-Genie, wie es in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wohl kein größeres, überwältigenderes gab.

Noch hatten die Songs längst nicht ihre fertige Gestalt angenommen, viele wurden in späteren Band-Arrangements noch feiner geschliffene Juwelen. Er hatte auch noch nicht alle so quasi unter artistischer Kontrolle wie dann bei den Studio-Einspielungen und danach in großen konzertanten Darbietungen. Er tastete noch, probierte aus, erlaubte sich auch gelegentlich ein paar Exzesse, wie Vater Tim viele Jahre vorher, ohne Rücksicht auf das Publikum. Aber ein schüchterner Jüngling, der von quälenden Selbstzweifeln geplagt wurde wie der junge Dylan, der um Bestätigung seines Talents von Dritten flehte, war dieser Jeff Buckley damals nicht. Wie der bekannte er sich zu seinen Idolen (Billie Holiday und Led Zeppelin, Ray Charles und Van Morrison, Nusrat Fateh Ali Khan, Nina Simone und Dylan). Aber auch wenn er damals kokett zwischendurch „I’m a ridiculous person!“ monologisierte: Der Mann wusste, wie gut er war. Er musste das auch gar nicht raushängen lassen. Sein Publikum idolisierte ihn ohne Vorbehalte. An seiner Originalität als Künstler zweifelte da niemand. Was immer er an Vorlagen wählte, machte er sich so zu eigen, dass es seine Kom-Positionen wurden.

Wie Dylans Just Like A Woman“. Buckleys Version ist die hinreißendste von allen, hier wie alle Stücke bis auf die vier schon auf der EP zu hörenden erstmals veröffentlicht. Chris Smither kann ja sowas manchmal auch. Aber in der Hinsicht war Jeff Buckley eine ganz singuläre Erscheinung. Dieser Mitschnitt und die Fassungen von „If You See Her, Say Hello“ und „I Shall Be Released“ sind allein schon das Geld für die Doppel-CD (plus DVD-Video) wert. „If You See Her, Say Hello“ sieben Minuten als Delta Blues-Ballade zur Slidegitarre als Hommage an sein Idol Nusrat, nicht minder ergreifend und groß „I Shall Be Released“.

Von den Superlativen in den Liner Notes stimmt ausnahmsweise ein jeder. Diese Bändern im Archiv verstauben zu lassen, wäre ein Verbrechen gewesen. An den Lebenden. Und wenn ich jetzt jemanden „Kult!“ murmeln höre, kann ich nur sagen, er möge sich diese anderthalb Minuten „The End“-Spaß mit Jeff Buckley in der Ödipussi-Passage mit dem nicht ausgesprochenen „Mother, I want to… arrrgh“ mal anhören.

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