Jeff Buckley :: Sketches For „My Sweetheart The Drunk“

„Tell me, am I cursed, am I blessed?“ fragt JeffBuckley in „Witches Rave“, und wir wissen nun, daß er beides war. Seit seinem Tod in den Ruten des Mississippi ist ein Jahr vergangen; die Erben haben derweil die Aufnahmen zu „My Sweetheart The Drunk“ sortiert und daraus ein Doppel-Album kompiliert. So hören wir ein Vermächtnis, das ultimativ genannt werden kann und alle Erwartungen einlöst, die „Grace“ geweckt hatte: der Belcanto-Sänger und Sensibilist, der Sinnsucher und Sinnlichkeitsprediger, der Ekstatiker und der Charismatiker sind in diesen Songs aufbewahrt, die Buckley neben Cobain als das größte Songschreiber-Talent seiner Generation ausweisen. Darunter machen wir es nicht.

Mag sein, daß die noch nicht abgeschlossenen Arbeiten an „Sweetheart“, daß das Unfertige sein stupendes Können noch deutlicher strahlen läßt. „New ear’s Prayer“, ein veritables Mantra, erinnert an „Live At Sin-e“, das schmale Debüt des Jünglings. Bei „Yard Of Blonde Girls“ klingt die Gitarre erfreulich roh und unmittelbar, wo Buckley doch sonst mit Led Zeppelin-Schwurbel einiges verdorben hat. Die schwärmerische Hymne singt er auch ohne seine manieristischen Jodel-Intertnezzi, die et wa „Corpus Christi Carol“ für weniger spirituelle Menschen schwer goutierbar machten. „Opened Once“ singt er dagegen im Falsett – ein Engelchen und Goldkehlchen, das sogar Eddie Vedder wie eine Dampfwalze erscheinen läßt.

Bei den zehn Stücken im ersten Teil der Sammlung hört man nicht, was fehlt, sie sind nahezu komplett, und möglicherweise wäre alle weitere Nachbearbeitung zuviel gewesen. Denn Buckleys Hang zum Pathos, seine bei Van Morrison ebenso wie bei Leonard Cohen entlehnte Neigung zum Feierlichen wirkte manchmal dick aufgetragen. Von dem einen borgte er sich „The Way Young Lovers Do“, vom anderen „Hallelujah“, beide zelebrierte er als Andacht Die „Sketches“ hätten, grob gesagt, zwei ziemlich unterschiedliche Platten hergegeben: Die eine wäre ein Rock-Album geworden, pathetisch wohl, aber besser als alle Rock-Alben, die uns gegenwärtig aus Amerika erreichen. Ungefähr Jeff Buckleys „Nevermind“oft genug imitiert die Gitarre „Come As You Are“. Das andere Album hätte den besinnlichen, den meditativen und introvertierten Buckley repräsentiert („You & I“: ein schmerzlicher Minnesang) – und leider auch den etwas peinlichen: „“ibu’re Flesh is No Nice“ und J. Know We Could Be So Happy Baby (If We Wanted To Be)“ würden Bryan Adams oder Lenny Kravitz gut stehen, hätten Buckleys finale Kontrolle aber vielleicht nicht passiert. Man weiß es ja nicht.

Zwei Songs machen die zwei Naturen Buckleys augenfällig: „Nightmares By The Sea“ und „New Year’s Prayer“ sind in je zwei Fassungen enthalten, eine davon offenkundig im Demo-Zustand. So kann man auf der zweiten Disc in die Werkstatt hineinhören, und da darf man erstaunt vernehmen, daß Buckleys Forschungen auch bei den Genesis- und Supertramp-Alben der 70er Jahren noch nicht aufhörten. „No time for romantic escape“ wiederholt er immer wieder zu seltsamen Klang-Verfremdungen – derselbe Mann, dessen Leben eine einzige romantische Flucht war. Diese Skizzen könnten eine ähnliche Bedeutung wie Nick Drakes nachgelassene Stücke auf „Time OfNo Reply“ bekommen. JeffBuckley allerdings muß nicht mehr entdeckt werden. He was wellknown. 4,0

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