Jessi Colter – Out Of The Ashes
Sie war – 30 Jahre später – für die Outlaws von Nashville das, was Jane Russell für den Western von Howard Hawks war. Das große, sinnliche Mädchen im Heu, Lippen geschürzt, Hand am Colt. Miriam Johnson verdankt ihren Künstlernamen schließlich einem Groß-Groß-Onkel. der in der Gang von Jesse James rumballerte. Und das schöne Russell-Zitat „Ich kannte Jungs, ich liebte Jungs und hatte nie ein Problem mit ihnen“ könnte auch von Jessi Colter stammen. Nur: Was tut das Mädchen, wenn der Junge, den sie am meisten liebte, von der Bühne dieser Welt abtreten musste?
Die Witwe von Waylon Jennings trauerte angemessen, um sich dann naheliegend einem Mann anzuvertrauen, der sich auch auskennt mit (späten) Outlaws und Highwaymen. Don Was, so Colter, sei „wie ein kühler Wind“ durch ihre Musik geweht. Dazu half mit Steve-Earle-Buddy Ray Kennedy ein robuster Mixer, die frische Brise auf „Out Of The Ashes“ noch zu verstärken. Jessi Colter konnte der Versuchung nicht widerstehen, den Verflossenen posthum durch Tony Joe Whites schwebendes „Out Of The Rain“ geistern zu lassen. Geschenkt. Denn es gibt ein Leben nach Waylon. „So Many Things“ und „The Canyon“ sind entwaffnend (ha!) direkte, nur Cello-grundierte Piano-Stücke vom Knackpunkt der Seele, von Zauber und Entzauberung, Vertrauen und Verrat. In Ray Herndon fand sich ein Schreib und Sanges-Partner, der viel Energie freisetzte, im Akustik-Duett „Never Got Over You“, mit dem lässigen Shuffle „Velvet And Steel“, und besonders in diesem fast frivolen Blues-Schleicher. „You can pick ‚em, baby, but you know it’s against the law“, singt die Frau aus Arizona halb cool, halb selbstironisch. Und: „The one from Arizona left you no soul at all.“ Stilvoller lässt sich die eigene Legende kaum verwalten.
Gospel am Anfang – das Traditional „His Eye Is On The Sparrow“ —, Gospel am Ende, selbstgeschrieben. Mit dem vielleicht zweitwichtigsten Mann in ihrem Leben. „Please Carry Me Home“, Jessi Colter im Duett mit Sohnemann Shooter. Da kommt was nach. Auch ein Trost für das Mädchen im Heu.