Kelly Willis – What I Deserve

Wenn es stimmt, daß große Country-Musik verdammt komplizierte Dinge ziemlich einfach auszudrücken vermag – dann ist (nicht nur) der Titelsong des vierten Albums von Kelly Willis ein großer Country-Song. Eine mit dem Leben Hadernde schickt sie hier in den Ring, nach Anerkennung und Respekt dürstend. Doch im tückischen B-Teil kriecht der Schrecken unter die ohnehin dünne Haut, „I have done the best I can“, insistiert sie. Um dann mit leiser Verzweiflung hinterherzuschicken: „Oh, but what Fve done ist not who I am.“ Uff!

Wer ist Kelly Willis? Die größte lebende Country-Sängerin! Okay: unter 35 (und neben Kim Richey). Schon 1989 war Virginias Antwort auf Maria McKee „MCA’s SXSW Pick!“, also eine Entdeckung. Doch weder die Protektion von Tony Brown noch später die Produktion von Don Was konnten dem in Austin ansässigen „angel widi hellscorched wings“ (Nick Tbsches) in Nashvilie helfen. Jetzt hat sie – derweil Music City USA vor minder begabten Damen überquillt – ein neues Zuhause ganz fern der Country-Industrie gefunden. Endlich. Album drei („Kelly Willis“) datiert immerhin von 1993. Oben zitierten Titelsong hat sie selbst geschrieben, mit Gary Louris 0ayhawks), der neben John Leventhal (Shawn Colvin) auf ihrer Co-Autorenliste steht Daß ihr eigenes Material immerhin knapp die Hälfte des Gebotenen – gegen sorgsam gewählte Covers von Nick Drake („Time Has Told Me“) bis Paul Westerberg („They’re Blind“) nicht abfallt, unterstreicht ihre neue Stärke als Autorin.

Als Sängerin war sie schon immer über jeden Zweifel erhaben. Willis liest Emotionen mit der Schärfe einer Kamera, die auch kaum vermutete Nuancen und Regungen einfriert. Doch während sie früher naturgemäß vor allem von ungestümer Energie lebte, so balanciert sie jetzt bewahrte Leidenschaft und gewonnene Reife wohldosiert aus. Poppige Obertöne („Heavenbound“) stehen ihr dabei ebenso gut wie bluesige Untertöne („Got A Feelin’For Ya“). Und „Wrapped“, aus der Feder von Gatte Bruce Robison, wäre in einer besseren Welt natürlich eine sichere Country-No. 1.

Für den guten Ton sorgen derweil mal wieder die üblichen Saiten-Könner wie Chuck Prophet, Jon Dee Graham, Mark Spencer und Lloyd Maines. Die hat Kelly Willis natürlich auch verdient Mindestens. 4,0

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