Kings Of Leon :: Because Of The Times

Die Priestersöhne geben einem den Glauben an Rock'n'Roll zurück

Die Kings Of Leon sind eine peinliche Band, aber diese Platte ist Wahnsinn. Falls einen all das nicht vom Hören abhält: das Southern-Rock-Schlumpftum, das Notgeile, Chauvi- und Geißenpeter-hafte. Ausgerechnet im Biker-Trucker-Genre, das naturgemäß den Poser hasst, haben die Kings Of Leon aus Tennessee sich selbst als Poser präsentiert, als vom Glauben abgefallene Priestersöhnchen, als Spiegelbrillenbiber mit Bierflaschen und Schoß-Groupies. Ein Fehler. Weil man so einfach nicht ernst nehmen kann, was sie machen, obwohl sie es offenbar auch nicht besonders lustig meinen.

Und vielleicht fallen wir jetzt auch nur ein drittes Mal darauf rein, auf den Geruch von Farngras, Tau und Honig, mit dem die Platte losgeht, bei „Knocked Up“, das sieben Minuten gespannt im Tal verharrt, während die Indianer von der anderen Seite der Schlucht herüberrufen, der Morgen vor dem Aufbruch oder nach dem Absturz. Die hohe, bröselnde, eigentlich extrem unmännliche Stimme von Caleb Followill, die einen sehr privaten Soul hat, nichts Angriffslustiges. Hier singt er ganz leise irgendwas davon, dass die Frau und er das Baby behalten wollen, und am Ende dieses langen, bebenden, webenden Liedes, das von keinem blöden Ritt zerrissen wird, erwischt man sich plötzlich dabei, wie die Kings Of Leon einem den Atem geraubt haben. „Because Of The Times“ ist unter anderem deshalb so unwahrscheinlich toll, weil die Band sich keine Mühe mehr gibt, ihr eigenes Stereotyp zu sein. Weil sie sich keine Rumbuddel-Hits mehr abpresst und die Mollys nicht mehr zum Tanzen treibt. Früher hätte man gesagt: Sie experimentieren – wir sagen: Die Kings lassen sich endlich Zeit, klingen auch mal anständig unschön, wenn es sein soll. Die schrecklichen Zombie-Schreie und Metal-Schläge in „Charmer“, das dissonant Freiförmige in „McFearless“, das nicht augenzwinkernd crazy wirkt, sondern wirklich irr. Klar laufen sie dabei neuen Stichwörtern ins Messer, Pixies, U2, einmal sogar Franz Ferdinand. Einen originären, eigenen Sound hatten sie nie, aber jetzt bringen sie den ganzen Schrottplatz so mächtig zum Donnern und jaulen und Glühen, wie es schon lange keine borstige, unironische Rock’n’Roll-Band mehr hingekriegt hat.

Bis in „On Call“ die Gitarren zu Beerdigungsglocken werden, beim unbotmäßigen Axt-Solo plötzlich die Tränen fließen, bis die Kings Of Leon in „Black Thumbnail“ arroganter denn je den Sumpf mit Blei aufgießen und in „The Runner“ der Dulcimer im Walzertakt zittert, während weit, weit hinten die Geister singen. In der Wüste gibt es eigentlich keinen Hall – aber ist das hier die Wüste? Es ist mehr ein Ort, wo der ehemals offene Himmel, in den die kosmischen Harley-Fahrer eigentlich escapen wollten, geschlossen bleibt und der Sänger die riesigen Felsen, die hier bewegt werden, auf den Fingerspitzen balanciert. Eine Platte, die einem den Glauben an irgendeine Rockmusik auch dann wiedergibt, wenn man ihn eigentlich nicht mehr haben mag.

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