Lydia Davis – Fast keine Erinnerungen

Fast keine Erinnerungen (Droschl, 19Euro) von Lydia Davis versammelt feuilletonistische Alltagsskizzen, Albträume, apokalyptische Szenarios, poetische Meditationen. Mini-Essays, Sprachspielereien, alles, nur keine konventionellen „Erzählungen“. Wenn hier tatsächlich mal so etwas wie ein Plot erkennbar wird, dann ist es nicht mehr als ein Treatment einer erst noch zu erzählenden Geschichte. Sogar der Spannung suggerierende Bericht von einer offensichtlich historischen Asien-Expedition des Lord Royston wird hier eingedampft zu einer Abfolge impressionistischer Tableaus. Wie überhaupt die Aufzählung, die Form der Liste viele dieser Prosastücke bis in die Syntax hinein strukturiert. Hier sind weniger Menschen in Bewegung als Gedanken, hier handeln nicht die Protagonisten, sondern die Worte selbst. Das geht nicht immer ohne Manieriertheiten ab, aber wenn Davis ihrer Sprache eine imaginativen Gegenwert gibt, wenn sie mit ein paar Strichen eine eigene Welt aufreißt, die kann realistisch oder auch surreal sein, dann zeigt sich das enorme Suggestionspotenzial ihrer klaren, konzisen, bisweilen wissenschaftlich kühlen Prosa. Die Frau kann einiges, und vor allem hat sie Stil.

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