Lyle Lovett – My Baby Don’t Tolerate

Fast zwei Dekaden nach seinem selbstbetitelten Debüt doch noch eine Premiere für den von der schmerzhaften Begegnung mit einer rasenden Kuh genesenen Texaner: „My Baby Don’t Tolerate“ ist das erste Album, welches nicht mit dem – wie auch immer verfremdeten – Lovett-Konterfeit für sich wirbt. Der Torso reicht ja auch: Die Daumen lässig in der Jeans eingehakt, eine Western-Gürtelschnalle schiebt sich unter der Lederjacke hervor.

Musikalisch hat sein erstes Album mit neuen Songs seit immerhin sieben Jahren ein Gesicht, dessen Physiognomie bereits auf dem Vorgänger „The Road To Ensenada“ angelegt war. Ein einfaches, klar gezeichnetes ist es, mit markantem Kinn, kräftigen Falten und diesem gewissen Zwinkern um die Augen. Das scharfe „Cute As A Bug“, „San Antonio Girl“ (gab’s wie „The Truck Song“ bereits 2001 auf „Anthology 1“ und der Titeltrack, ein süffig-praller Blues, wie ihn Lyle Lovett zuvor kaum gesungen hat, sind die Sorte Songs, die ihm einst von humorlosen Mitgeschöpfen den Vorwurf eintrugen, er sei doch nur ein verkappter Mysogyn. Doch passe sind die semiphilosophischen Big-Band-Schaustücke, die ominösen Miniaturen, die allenfalls in „Big Dog“ und „You Were Always There“ nachklingen, wohl ein Nachruf auf den Vater. Dafür schunkelt sich die selige Ode „In My Own Mind“ an Randy und Danny Ray von der Farm nebenan und an die Genügsamkeit aller heran, die Frieden machen konnten mit sich. Lovett, angekommen am Country-Epizentrum.

Den Rest besorgen fabelhafte Musiker, die ihren Lyle nach all den gemeinsamen Jahren in- und auswendig kennen. Der subtile Gitarrist Dean Parks, der schön präsente Pedal Steeler Paul Franklin, vor allem Pianist Matt Rollings, der Drive wie Kontemplation aus dem Ärmel, tja: rollt. Es western-swingt mit gehörigem Stil, und auf der „Wallisville Road“ geht der Gaul sogar mal durch. Der beste Song? Wie wär’s damit: „Life’s great in Nashville, driving in their Coupe De Ville“, singt Lovett Holly, Doyle, Amy, Iris und John hinterher, „thank God for little puls on Saturday Night.“ Die Fiddle fiddelt, die Steel wimmert, und alles wirkt so herrlich absurd, als hätte Country nie das magische Dreieck zwischen Ryman Auditorium, Tootsie’s und Ernest Tubbs Plattenladen verlassen.

Zum Finale zwei Gospel-Stücke. Einfach rasender Gospel, mit Chor, doch ohne die biblischen Fanale und die Lust am Fabulieren, die etwa noch „Joshua Judges Ruth“ charakterisierten. Warten Sie auf ein Zeichen von ganz oben? Lyle Lovett hat es schon bekommen. Dem Mann können sie sich getrost anvertrauen.

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