Marvin Gaye :: Let’s Get It On
Inbrünstige Soul-Hymnen mit Mädchen statt Gott als Adressaten.
Mit bürgerlichem Namen hieß er Marvin Pentz Gay jr. Aber wenn einer nicht gay war, dann er. In Biografien und Rock-Lexika nennt man ihn gern den „original love man“. Ein netter Euphemismus für jemanden, der mit Oden an die Eifersucht („I Heard It Through The Grapevine“) und die durchaus irdische Liebe („Sexual Healing“) einige seiner größten Hits hatte und als großer womanizer bekannt war. Nicht von ungefähr wurde sein erfolgreichstes Album zu Lebzeiten das mit dem programmatischen Titel „Let’s Get It On“.
Das war der eher mehr als minder autobiografische Songzyklus eines 34jährigen verheirateten Mannes, der sich – ein Humbert Humbert der Soul Music – hoffnungslos in einen Teenager verknallt hatte. Trotzdem waren das keine brunftigen Soft-Porno-Arien wie die des Kollegen Barry White, dem großen Tröster grüner Witwen, sondern so sanft wie inbrünstig und jubilierend vorgetragene Bekenntnisse. Wenn man da das Wort „baby“ durch Jesus“ oder „Lord“ ersetzt hätte, wären die auch als Gospel-Hymnen durchgegangen. „Keep Gettin‘ It On“ oder „You Sure Love To Ball“ natürlich nicht, einige der restlichen Songs aber doch.
„Let’s Get It On“ war eine schwere Geburt. Voraufgegangen waren der Veröffentlichung endlose Demo-Sessions, bei denen er immer neue Produzenten verschliss und – Dutzende von Musiker und Backup-Sängern engagierend – nicht zu Potte kommen wollte. Nach dem Erfolg von „fVhat’s Going On“ hatte ihm (damals noch) Schwiegervater Berry Gordy aber nichts dreinzureden. „Just To Keep You Satisfied“, letzter Song auf der LP, war genau genommen der älteste. Die basic tracks dazu hatte er schon im Juni 1970 aufgenommen, also schon vor „What’s Going On“, das er dann binnen weniger Tage fertig einspielte!
Bei den knapp zwei Dutzend Alternativ- und Outtakes der neuen Deluxe Edition ist oft nicht mal dokumentiert, welche Musiker da mitspielten und wer die Mischpult-Regler in den diversen Studio in Detroit und Los Angeles bediente. Ein bisschen Demo-Overkill ist das, ehrlich gesagt, ja schon, was man bei diesem Luxusprojekt betrieb. Nur: Was für ein phänomenales Sangestalent der Mann war, bestätigen dann doch auch viele der unveröffentlichten Aufnahmen. Und bei den Instrumentals darf jeder die Skip-Taste des Players aktivieren…