Ms Dynamite – Judgement Days

Wenn Musiker über ihre Kinder singen, findet das die engste Verwandtschaft sicher toll und voll lieb – emotional unbeteiligten Hörern jedoch sind diese Oden an den Nachwuchs oft das akustische Äquivalent zu unverlangt unter die Nase gehaltenen Babyfotos – man erinnere sich nur an die Oasis-Wunderlichkeit „Little James“.

„He vanishes my scars/ He fills me to the brim with joy“, schnurrt auf „Judgement Days“ nun auch Ms Dynamite im Lied „Shavaar“ so gänzlich unexplosiv über ihren gleichnamigen Sohn, daß das Stück zunächst durchaus verzichtbar erscheint. Tatsächlich aber erklärt es, warum ihr zweites Album klingt, wie es klingt. Niomi McLean-Daley hat zweifellos immer noch issues: Pharmakonzerne, böse world leader, Pfarrer, die Kinder mißbrauchen, Drogendealer und häusliche Gewalt werden gleich im ersten Lied, das dem Album seinen Namen gab, in gewohnter Dy-na-mi-tee-Manier angeklagt: „Put your gun away, please“, klipp-und-klar-lyrics: „How could you beat your woman till you see blood/ Get your children living in fear/ How you gonna wash the blood from your hands?“

Trotz der deutlichen Worte ist Ms Dynamite nach der Geburt ihres Sohnes (der vor zwei Jahren kurz nach dem großen Erfolg ihres Debüts „A Little Deeper“ zur Welt kam) etwas muttermilde geworden. So rüde die besungenen Themen, so softig die meist spärlichen Arrangements über dezent blubberndem Beat: Ms Dynamite begnügt sich zumeist mit vereinzelten Blues-Samples oder Tröpfelpiano (etwa in ihrer Adaption des Rose Royceschen „Love Don’t Live Here Anymore“).

„Judgement Days“ ist ein weiterer Schritt weg von den garagigen Anfangstagen, hin zu schmusigerem, elegant arrangiertem R&B. Stark, engagiert und gender-class-race-bewußt sind Ms Dynamites Texte glücklicherweise noch immer – in Kombination mit diesem entspannten Sound nur eben nicht mehr so zündend.

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