Nick Cave and the Bad Seeds Live From KCRW

Die Geschichte wiederholt sich auch im Blues als Farce. Auf dem Weg nach Genf, zum Higgs-Boson-Teilchenbeschleuniger, begegnet der Erzähler am Straßenrand Robert Johnson, der nach einem Song sucht. Hinzu tritt Luzifer, dem Johnson nach einer Legende an einer Straßenkreuzung erschienen sein soll – und beide wetteifern um den besten Groove. Und dann kommt auch noch Hannah Montana, jene Filmfigur, die bekanntlich von Miley Cyrus gespielt wurde. Wie, zum Teufel, konnte Nick Cave schon im vorigen Jahr wissen, zu welchem Früchtchen die Cyrus sich entwickelt hat? Aber der Mann kennt natürlich die Frauen: Für das Cover-Foto von „Push The Sky Away“ ließ er seine aparte Frau ziemlich nackt durch ein ziemlich leeres Zimmer gehen und zog die Vorhänge – zu, vor? Der „Higgs Boson Blues“ ist jedenfalls das zentrale Stück des transparenten, beiläufig ironischen Meisterwerks – in dieser innigen Version wird kein Ton zu viel gespielt.

Die Bad Seeds sind heute eine andere Band als noch vor fünf, sechs Jahren – eine noch bessere. Mit Warren Ellis an der Geige und Tenor-Gitarre und, jawohl: Loops, Martyn Casey am Bass, Jim Sclavunos am Schlagwerk und dem zurückgekehrten Barry Adamson an der Orgel haben Caves Songs etwas Zierliches, Elegantes, Klassisches bekommen, wo früher Poltern und Pathos nie fern waren. Für eine kalifornische Radiostation spielten sie im April vor 180 Zuhörern, Cave singt berückend wie nie zuvor, und um sein Pianospiel und Ellis‘ Violine arrangierte er „Stranger Than Kindness“, das wundersam zart eingerichtete „The Mercy Seat“, „And No More Shall We Part“, „Far From Me“ und „Mermaids“ mit einem denkwürdigen, trockenen Gitarrensolo. Und noch einmal singt Cave in „People Ain’t No Good“ sehnsüchtig von dem fernen Idyll des Müßiggangs: „The sun would stream on the sheets/Awoken by the morning bird/We’d buy the Sunday newspapers/Never read a single word …“ (Bad Seed/Kobalt)

Der letzte Film, der ähnlich großflächig, ausdauernd und eindimensional beworben wurde, war vermutlich „Godzilla“: Weil die Coen-Brüder und T Bone Burnett noch einmal gemeinsame Sache machen, wittern alle Beteiligten einen Zahltag wie bei „O Brother, Where Art Thou?“, dessen Soundtrack den Amerikanern ihre eigene musikalische Geschichte erklärte. Für „Inside Llewyn Davis“ hat Burnett natürlich entsprechende Songs gefunden: Tom Paxton, A. P. Carter, Ewan MacColl und „Farewell“ von Bob Dylan; neben Oscar Isaac singen Dave Van Ronk, Justin Timberlake und Marcus Mumford; die Coens halfen bei einem Arrangement. Mit Banjo, Fiddle, Mundharmonika und beherzten Harmoniegesängen schollert und tschilpt sich dieser Boheme-Folk in die Herzkammer, von „Green, Green Rocky Road“ bis „The Roving Gambler“ wird das historische Appalachen-Geschrammel durch das Greenwich-Village-Revival der frühen 60er-Jahre gebrochen. Oscar Isaac hat sich den Gesang anverwandelt und trifft den Ton, und Burnett sind Klitterung und Verklärung nicht vorzuwerfen: „Inside Llewyn Davis“ ist kein aufgerüschtes Surrogat, sondern von kongneialer Sprödigkeit. „O Brother II“ ist der Soundtrack nicht geworden – dafür ist das Greenwich Village doch zu existenzialistisch und zugig. (Nonesuch/Warner)

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