North Mississippi Allstars – Polans
Es gibt Fans der North Mississippi Allstars, die müssen jetzt ganz stark sein. Und erstmal tief Luft holen, bevor sie „Polaris“ in den Player legen. Es sind jene Puristen, welche sich daran erfreuten, wie die Dickinson-Brüder Luther und Cody und ihr Bassist Chris Chew auf ihren ersten beiden Alben den Hill-Country-Blues von Fred McDowell und Co. erst aufmöbelten und dann fortschrieben. Davon ist auf dem dritten Streich nicht viel geblieben. Ein wirklich rundes, sehr lässiges Cover von Junior Kimbroughs „Meet Me In The City“, der Swamp-Ausflug „Never In All My Days“, das dunkle Slide-Echo in „All Along“ vielleicht, ein verstecktes, flinkes Instrumental nach dem letzten Stück.
Ansonsten forcieren die NMA die (stilistische) Expansion und zogen dafür mit Duwayne Burnside (genau: Sohn von Blues-Legende R.L. Burnside) einen vierten Mann an Bord. Und damit auch der Geist des Experimentellen zugegen ist, quartierte man sich in den Ardent Studios zu Memphis ein. Dort trieb einst Papa Jim Dickinson sein Produzentenunwesen, heute hilft er gern mal mit einem Verstärker aus den wilden Tagen mit Alex Chilton aus, auf den Lippen ein gönnerhaftes „that’s the Big Star sound, right there, boy“.
Blöd nur, wenn dann der Mythos doch stärker ist als das Material. „Kids These Days“ bleibt letztlich nur eine laue Replacements-Reminiszenz, das viel versprechende Akustik-Stück „Conan“ verläppert, zwischendurch als Phish-Jam. „Polaris“ und „Time For The Sun To Rise“ erreichen nicht wirklich die Sphären, die ihre Titel suggerieren. Besser funktioniert „Eyes“ mit schweren Licks, rasanten Drum-Fills und einem überraschenden Soul-Pop-Chorus, „One To Grow On“ ist eine fein realisierte Southern-Ballade, auf der Noel Gallagher mitsingen soll. Zu hören ist er nicht wirklich (hat da gerade jemand „Gott sei Dank!“ gerufen?).
Im großen Finale „Be So Glad“, wo atemloser Rap (Cody Burnside, der Cousin) und die Geisterstimme der inzwischen verstorbenen Hill-Country-Legende Otha Turner in psychedelischen Wallungen baden, lugt sie dann endgültig durch jede Endung, diese grundsätzlich sympathische Ambition, wie die Zukunft des Southern Rock klingen zu wollen. Oder zumindest wie eine. Dabei haben die North Mississippi Allstars doch schon mit der Gegenwart alle Hände voll zu tun.