NUGGETS :: von Jörg Gülden

Austin/Texas, du hast es wahrlich besser, denn du hast Steve Earle, Alvin Crow, Jerry Jeff Walker,Joe Ely, Roky Erickson – und du hast THE GOURDS. Dieses Quartett ging 1996 musikalisch bereits so sattelfest an den Start, daß nicht wenige Kritiker auf dem Debüt „Dem’s GoodBeeble“ mal The Band, mal CCR ausmachten. Mit „Stadium Blitzer“ (Munich Rec./ Fenn Music MUSA 503) spannen sie ihren Tex Mex-, Country- und Rock ’n’Roll-Bogen noch weiter, denn nebst neuerlichen Anklängen an oben Genannte betören sie nun gar mit Harmoniegesang-Finessen der Dillards-Klasse. Die vorwiegend akustische Instrumentierung – Mandoline, Banjo, Gitarre, Akkordion und Lapsteel – ist meisterlich und macht diese LP im Einklang mit dem überirdischen Gesang der drei Vokalakrobaten zu einer wahren Wonne. Da müssen selbst Unde Tupelo ihre Stetsons ziehen.

Befragt nach ihrem größten Vorbild, fallt bei den Gourds unisono der Name der Lone Star State-Ikone: DOUG SAHM A.K.A. THE TEXAS TORNADO. Der hatte seit geraumer Zeit einen Deal mit einer skandinavischen Firma und einige Tracks seiner LP „Get A Life“ (Munich Rec./Fenn Music MUSA 505) bereits fertig, als die Schweden plötzlich jedwede Kommunikation mit ihm abbrachen. Zufällig traf Doug einen Munich-Menschen, der ihm die „wundervollen und talentierten Gourds“ (O-Tbn Sahm) wärmstens empfahl Und so nahm „the craziest album I ever cut“ (Sahm) doch noch Gestalt an. Die alten sidekicks Augie Meyers und Speedy Sparks durften nicht fehlen, die versierten Sprößlinge Shawn Sahm und Gay Meyers natürlich auch nicht, und die Gourds machten Sahms lobenden Worten alle Ehre. Resultat: ein Tex Mex-Kleinod, das auf der Flughöhe der unvergeßlichen Sir Douglas-Gassenhauer abzischt. Und wenn alles klappt, dann wird uns Sir Doug, im Schlepptau die wundervollen Gourds, im Herbst live beglücken.

Wären da nicht diese verblüffende Slide-Gitarre und die atemberaubenden Stimm-Kapriolen des Sängers, gehörten THE URN wohl eher in die Abteilung „Hard/Blues-Rock“. So aber haben sich die vier Holländer ihr ureigenes Genre geschaffen, das, wer mag, Southern/Heavy/Progressive/Blues-Rock nennen darf. Hier kracht’s zwar gelegentlich infernalisch, doch keiner der Songs rutscht in plumpe Haudruff-Beliebigkeit ab, denn dazu wartet der nicht zur Band gehörende Komponist M. Van Willigen (wahrscheinlich Bruder von Sänger Rini Van Willigen) mit zu vielen überraschenden Twists und Tricks auf. Die „Sister Morphine“ der Stones, einzige Coverversion der LP, glänzt in einem kompetenten Neuarrangement, und wenn Mijnheer Van Willigen per Stimme die Brücke zwischen dem Roger Chapman der Family-Zeiten und dem seligen Tim Buckley schlägt, dann haben einen The Urn mit ihrer gleichnamigen LP (Dark Reign DR0001-2) längst in ihren Bann gezogen.

Noch gewöhnungsbedürftiger ist sicher das, was Produzent Wally Brill (Karel Fialka, Annabel Lamb) auf „Visit To A Small Planet“ (Glitterhouse GRCD 438) dem SUNSHINE CLUB aus Frisco entlockt hat. Die Kombination von Moog, mal heftiger, mal sanfter Gitarre plus Säge-Klängen mit der elfenhaften Stimme von Sängerin Denise Bon Giovanni schafft eine knisternde Atmosphäre zwischen einlullender Düsternis und jäher Intensität Zwar nicht massenkompatibel, aber ein Fund für musikalische Grenzgänger Das formidable Album „News From Nowhere“ (siehe RS 2/98) hat GEORGE LEITENBERGER den ersehnten major deal leider nicht gebracht, zu tief war der Schlaf in hiesigen A&R-Stuben. Er läßt die „Talent-Scouts“ fortan in Morpheus‘ Armen ruhen und macht auf eigenem Label hellwach weiter. Jetzt allein mit akustischer Gibson und 19 deutschen Songs bar jeder Larmoyanz und allem Zeitgeist-Geschwalle. Keine Protest-Pflichtübungen, keine postmodernen Poeme, einfach präzise Beobachtungen, nüchterne Reminiszenzen und Zustandsbeschreibungen. „Land der Dichter“ (Mexican Railroad Music MRM CD 002) darf ein Leitenberger sein Album allemal nennen, die Waders, Weckers, Hüschs und Consorten hingegen schon längst nicht mehr!

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